Psychische Erkrankungen – Oft Fehldiagnosen bei SchilddrüsenpatientInnen!
Psychische Symptome bei einer Überfunktion der Schilddrüse
Eine Schilddrüsenüberfunktion (zu viel an Schilddrüsenhormonen, Hyperthyreose) kann sich folgendermaßen zeigen:
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- Unruhe (Rastlosigkeit)
- Übersprudeln vor Ideen
- Ungeduld (Reizbarkeit)
- Wutausbrüche schon bei kleinsten Anlässen
- emotionale Labilität
- Schlaflosigkeit
„Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion sind oft sehr nervös und hektisch. Da ihre innere Uhr schneller tickt, scheint ihnen alles viel zu langsam zu gehen. Das scheinbar träge Tempo der Mitmenschen veranlasst sie zu Unbeherrschtheit und häufigen Nörgeleien. Die Nächte verbringen sie oft schlaflos. Am Tag sind sie noch zusätzlich gereizt. Nicht selten reichen schon nichtige Anlässe, dass es zu Streit und Wutausbrüchen kommt. Die Mitmenschen empfinden die Wesensveränderungen des Betroffenen als belastend, und da sie meist nicht ahnen, dass sich eine Krankheit dahinter verbirgt, ziehen sie sich häufig beleidigt und enttäuscht zurück. Für den Patienten ist das eine heftige Kränkung, die ihn noch weiter in seine Probleme treibt.“ (H. Kovacs: „Schilddrüse“, Südwest-Verlag, München 2002, Seite 63 ff. Wenn die Schilddrüse zu viel tut).
Auffälligkeiten der Psyche bei einer Schilddrüsenunterfunktion
Dagegen kann eine Unterfunktion der Schilddrüse (zu wenig an Schilddrüsenhormonen, Hypothyreose) folgende Auswirkungen haben:
- Weinerlichkeit (Depressivität)
- Reizbarkeit (das Gefühl alles wird zu viel)
- Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
- Benommenheit
- Nervosität (Schreckhaftigkeit)
- ausgeprägte Ängstlichkeit (Panikattacken)
- Schlafstörungen
Verwechslungsgefahr von einer Schilddrüsenfehlfunktion mit einer psychischen Erkrankung
Bei Erkrankungen der Schilddrüse sind diese psychischen Symptome hormonell bedingt und kein Ausdruck einer psychischen Störung! Psychische Erkrankungen wie eine Depression oder eine Angststörung können sich jedoch mit sehr ähnlichen Symptomen wie Krankheiten der Schilddrüse äußern. Zur Verdeutlichung nachfolgend das Internationale Diagnoseschema der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) bzgl. Depression und Angststörung:
Merkmale einer Depression
- Depressive Stimmung
- Interessenverlust, Freudlosigkeit
- Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit
- Verminderte Konzentration
- Vermindertes Selbstwertgefühl
- Gefühl von Schuld / Wertlosigkeit
- Pessimistische Zukunftsperspektiven
- Suizidgedanken /-handlungen
- Schlafstörungen
- Frühmorgendliches Erwachen
- Morgendliches Stimmungstief
- Deutlicher Appetitverlust
- Gewichtsverlust
- Deutlicher Libidoverlust
Merkmale einer Panikattacke (Angststörung)
- Schweißausbrüche
- Fein- oder grobschlägiges Zittern (Tremor)
- Mundtrockenheit
- Atembeschwerden
- Beklemmungsgefühl
- Schmerzen in der Brust
- Übelkeit
- Schwindel, Unsicherheit, Schwäche
- Entfremdungsgefühl gegenüber der eigenen Person
- Angst die Kontrolle zu verlieren
- Angst zu sterben (Todesangst)
- Hitzegefühle od. Kälteschauer
Wegen der Auswirkungen auf die Psyche besteht ein erhebliches Risiko, dass Schilddrüsenerkrankungen als psychische Störungen fehldiagnostiziert werden! Besonders zu Beginn der Erkrankung, wenn erst wenige Symptome vorhanden und die Blutwerte noch unauffällig sind, ist es für den Arzt unter Umständen schwierig die richtige Diagnose zu stellen. Erschwerend kommt diesbezüglich hinzu, dass bei Funktionsstörungen der Schilddrüse die psychischen Symptome den organischen Beschwerden vorangehen können.
“Fast alle endokrinen Erkrankungen können psychische Symptome hervorrufen – eine Tatsache, die Ärzte bei der Diagnose oft nicht bedenken […] Überschuss an Schilddrüsenhormonen kann zu Stimmungsschwankungen, psychomotorischer Unruhe, Angstzuständen, Depressionen oder psychotischen Symptomen führen. Hypothyreosen induzieren oft Depressionen, Lethargie, Psychosen oder Angstsymptome. Nicht selten geht bei Funktionsstörungen der Schilddrüse die psychische Symptomatik den organischen Beschwerden voraus.” (A. Bischoff: „Defekte Hormon-Fabriken schlagen aufs Gemüt“, Ärztliche Praxis 19.11.2003)
„Schilddrüsenfunktionsstörungen können wegen den psychischen Auswirkungen, vor allem bei monosymptomatischem Verlauf, als psychiatrische Erkrankungen verkannt werden […] Hyperthyreosen werden aufgrund ihrer angstbezogenen psychischen Beschwerden am häufigsten als generalisierte Angststörung oder Panikstörung verkannt […] Bei der Hypothyreose führen die klinischen Beschwerden Leistungsminderung, Müdigkeit, Interesselosigkeit, Antriebsarmut und Konzentrationsschwäche am häufigsten zur Verwechslung mit einer Depression.“ (G. K. Stalla, M. Tichomirowa, L. Schaaf: „Zentralnervensystem und Schilddrüsenhormone“, Mit Dt Ges Endok 2003, 2(27))
Das weibliche Geschlecht ist ein Risikofaktor im Hinblick auf psychische Fehldiagnosen
Frauen sind besonders gefährdet, dass Ihnen fälschlicherweise eine psychische Erkrankung unterstellt wird. Sie werden in unserer Gesellschaft immer noch als psychisch labiler eingeschätzt.
„Bei Frauen werden doppelt so häufig Depressionen diagnostiziert wie bei Männern und ihnen werden öfter psychisch wirksame Arzneimittel (Psychopharmaka) verordnet, die ein hohes Abhängigkeitspotential in sich bergen. Viel zu selten findet die Tatsache Beachtung, dass 15 – 20 % der Depressionen durch unerkannte Schilddrüsenunterfunktionen verursacht bzw. durch diese in Gang gehalten werden. Eine Unterfunktion kann auch der Grund dafür sein, dass ein Antidepressivum nicht richtig wirkt. Vor der medikamentösen Behandlung einer Depression sollte deshalb unbedingt die Schilddrüsenfunktion genau abgeklärt werden.“ (C. Sachse: „Die Schilddrüse – Kleines Organ mit großer Wirkung“, Feministisches Frauen Gesundheitszentrum e. V. (Hrsg.), Berlin 2005)
Erschwerend kommt hinzu, dass Schilddrüsenerkrankungen häufig in Situationen ausbrechen in denen Fehlinterpretationen naheliegen. Zu diesen Lebensphasen zählen besonders eine Schwangerschaft sowie die Zeit nach einer Entbindung.
„Eine Risikogruppe stellen auch Frauen nach der Geburt eines Kindes dar. In ca. 9% der Fälle kann sich eine post-partum Thyreoiditis mit erhöhten Schilddrüsenantikörperwerten und auch Funktionsstörungen der Schilddrüse entwickeln. Depressionen können dabei ein begleitendes Symptom sein. Nicht selten wird die neue Situation besonders beim ersten Kind im Sinne einer mütterlichen Überlastungsreaktion angesehen, bevor an die Möglichkeit einer Schilddrüsenerkrankung als Ursache gedacht wird.“ (J. Feldkamp: „Schilddrüse und Psyche“, www.forum-schilddruese.de, Zugriff am 30.05.06)
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Verschlimmbesserung durch Psychotherapie und Psychopharmaka
Eine psychologische Behandlung von Krankheiten der Schilddrüse ist nicht sinnvoll, da sich die Symptome durch die Therapie mit Thyreostatika oder Schilddrüsenhormonen meist vollständig zurückbilden. Wie bereits ausgeführt sind Krankheiten der Schilddrüse keine psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen. Sie werden nicht durch traumatische Kindheitserlebnisse, falsche innere Grundhaltungen oder Stress ausgelöst. Und sie sind deshalb auch nicht durch eine Psychotherapie, absolute Stressfreiheit oder Psychopharmaka heilbar.
“Der durch zahlreiche Symptome verunsicherte und verängstigte Erkrankte benötigt in der Regel keine Psychopharmaka, sondern neben einer wirksamen [Anm.: Schilddrüsenhormon-] Behandlung einen Arzt, der zuhört, mitfühlt, versteht und Mut macht. […] Eine klassische Psychoanalyse ist nicht sinnvoll. Die Schuld für die Erkrankung in der eigenen Psyche zu suchen, ist weder weiterführend noch wird es den eigentlichen Krankheitsursachen gerecht.” (L. Brakebusch, A. E. Heufelder: „Leben mit Hashimoto-Thyreoiditis“, Zuckschwerdt-Verlag, München 2004, Seite 159 ff. Psyche und Hashimoto-Thyreoiditis)
In diesem Zusammenhang ist problematisch, dass bestimmte Psychopharmaka den Schilddrüsenhormonstoffwechsel beeinflussen und die Symptomatik einer bestehenden Erkrankung der Schilddrüse sich dadurch noch zusätzlich verstärken kann.
„Insbesondere trizyklische Antidepressiva und antipsychotisch wirksame Phenothiazine beeinflussen die Schilddrüsenfunktion, indem sie mit den verschiedenen Schritten der Schilddrüsenhormonbiosynthese interagieren. Diese Medikamente hemmen die Jodidaufnahme und die Schilddrüsenperoxydase und führen so zu einer verminderten Synthese von T3 und T4. Auf der anderen Seite steigern sie die Dejodierung von T4 zu T3 oder/und zu reverse-T3 durch eine Stimulation der Dejodase-Aktivität. Trizyklische Antidepressiva interferieren ferner über das noradrenerge und serotonerge System direkt mit der Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsenachse und können so die T3- und T4-Spiegel vermindern.“ (K. M. Derwahl: „ Schilddrüse und Psyche“, 17. Wiesbadener Schilddrüsengespräch 1999)
Um das Risiko von Fehldiagnosen zu mindern, muss vor jeder Verordnung von Psychopharmaka oder dem Einleiten einer Psychotherapie zunächst eine gründliche Untersuchung der Schilddrüse erfolgen.
„Patienten mit Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis weisen jedoch häufig auch Symptome auf, die typischerweise bei der Hypothyreose gesehen werden: Müdigkeit, Lethargie, Gewichtszunahme und Rückzug aus der sozialen Gemeinschaft. Eine Abklärung der Schilddrüsenfunktion sollte daher bei jedem Patienten mit neu aufgetretener Depression auf jeden Fall erfolgen, um somatisch therapierbare Erkrankungen nicht zu übersehen.“ (J. Feldkamp: „Schilddrüse und Psyche“, www.forum-schilddruese.de, Zugriff am 30.05.06)
Fazit: Die psychischen Auswirkungen von Schilddrüsenerkrankungen sind für die Betroffenen unglaublich belastend. Sie erkennen sich selbst nicht wieder, sind von Selbstzweifeln geplagt und müssen oft hilflos zusehen wie ihnen das eigene Leben entgleitet. Kommt dann zu der ohnehin unerträglichen Situation noch eine psychische Fehldiagnose hinzu sind die Folgen fatal.
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Die Hashimoto-Thyreoiditis ist keine psychische Erkrankung. Und doch führen weit verbreitete Beschwerden wie innere Unruhe, Unsicherheit, Selbstzweifel, Schlafstörungen und Erschöpfungszustände gerade im Anfangsstadium der Autoimmunerkrankung häufig zu entsprechenden Fehldiagnosen ( Angststörung, Burnout, Depression).