Verhängnisvolle, psychische Fehldiagnosen bei SchilddrüsenpatientInnen

Ängstlichkeit, Schlafstörungen und Weinerlichkeit sind typische Beschwerden bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Mangel an Schilddrüsenhormonen, Hypothyreose) zu der es beispielsweise als Folge einer Hashimoto-Thyreoiditis kommen kann. Ist noch keine Schilddrüsenerkrankung bekannt, werden dann aber gerade bei Frauen fälschlicherweise eher ein chronisches Erschöpfungssyndrom, ein Burnout, eine Depression oder eine Angststörung diagnostiziert.

Übergriffigkeit & Entmündigung

Im Hinblick darauf haben PatientInnen die es wagen, die ärztliche Einschätzung anzuzweifeln meist schlechte Karten. Die vermeintlich uneinsichtige Gegenwehr gilt manchen ÄrztInnen vielmehr noch als Bestätigung für die psychische Erkrankung. Da helfen dann auch durch einen spontanen Rechtfertigungsimpuls ausgelöste, weitschweifende Erklärungsversuche oder ein verzweifelter Tränenausbruch nicht mehr weiter. So verständlich der Wunsch ist, ernstgenommen und anerkannt zu werden – ein solches Verhalten führt im Gegenteil dazu, dass sich die Situation noch weiter verschärft und hochschaukelt.

Für die betroffenen Schilddrüsenkranken ist das meistens ausgesprochen schlimm. Das liegt daran, dass sie eine sogenannte, traumatische Umkehrerfahrung machen. Anstatt endlich die erhoffte Hilfe zu erhalten, geht es ihnen nach einem solchen, misslungenen Arztbesuch sogar noch deutlich schlechter.

Aber was ist, wenn betroffene PatientInnen allen Grund haben sich zu wehren – eben weil die übereilt gestellte Diagnose schlichtweg falsch ist?

Dann werden sie allein gelassen, als QuerulantInnen abgestempelt und teilweise sogar verspottet. Es unterbleibt nicht nur eine sorgfältige, ärztliche Abklärung möglicher Differentialdiagnosen wie beispielsweise eine Schilddrüsenerkrankung sondern eben auch die notwendige Behandlung mit einem Schilddrüsenmedikament.

Unzureichende Schilddrüsendiagnostik

Und wenn ÄrztInnen doch an die Schilddrüse als mögliche Ursache für die psychischen Symptome denken wird im Regelfall lediglich der TSH-Wert bestimmt. Aber das reicht nicht! Ein normwertiger TSH-Wert ist nicht mit Schilddrüsengesundheit gleichzusetzen. Er kann durch zahlreiche Einflußfaktoren verändert sein. Im Winter ist er oft höher als im Sommer. Bei schweren Allgemeinerkrankungen oder auch ausgeprägtem Stress kann er niedriger sein. Körperliche Belastung geht regelhaft mit einer TSH-Erhöhung einher. Und mit Blick darauf nicht zu vergessen sind die unterschiedlichen Medikamente, welche das TSH ebenfalls beeinflussen können.

Es sollte deshalb immer zusätzlich eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse (Schilddrüsensonografie) durchgeführt werden! Nur diese ermöglicht eine zuverlässige Einschätzung, weil damit neben der Schilddrüsengröße auch eine Schilddrüsenentzündung oder Schilddrüsenknoten zweifelsfrei festgestellt werden können.

Wirklich aussagekräftig ist eine Schilddrüsenuntersuchung sogar erst dann, wenn zusätzlich auch die freien Schilddrüsenhormone fT3 und fT4 bestimmt werden. Dabei zeigt sich oft eine unzuverlässige Rückkopplung von TSH und Schilddrüsenhormonen, d.h. ein noch normales TSH aber ein bereits erniedrigtes fT4.

Besteht der Verdacht auf eine Hashimoto-Thyreoiditis oder einen Morbus Basedow, sollten zudem wenigstens einmal auch die Schilddrüsenautoantikörper (TPO-AK, TG-AK, TRAK) bestimmt werden. Diese müssen nicht jedes Mal mit gemacht werden. Ihre Bedeutung im Krankheitsverlauf ist ohnehin unklar. So scheint es bei den autoimmunen Schilddrüsenentzündungen keine Korrelation zwischen der Höhe der Schilddrüsenautoantikörper und der Krankheitsaktivität zu geben. Aber ihr Vorhandensein bestätigt die Diagnose.


Nicole Wobker „Psychische Aspekte der Diagnose Hashimoto-Thyreoiditis “ (Amazon-Partnerlink)

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist keine psychische Erkrankung. Und doch führen weit verbreitete Beschwerden wie innere Unruhe, Unsicherheit, Selbstzweifel, Schlafstörungen und Erschöpfungszustände gerade im Anfangsstadium der Autoimmunerkrankung häufig zu entsprechenden Fehldiagnosen ( Angststörung, Burnout, Depression).


Letzte Aktualisierung: 02. Februar 2024