Schwangerschaft kann die Schilddrüse überfordern – Hormonexperten raten zum gezielten Funktionscheck

Funktionsstörungen der Schilddrüse in der Schwangerschaft gefährden die Gesundheit von Mutter und Kind. Be­troffen können alle Schwangeren sein. Risikopatientinnen sind Frauen mit vorbekannter Schilddrüsenerkrankung, Typ-1-Diabetes oder anderen Autoimmunerkrankungen, ältere Schwangere und Frauen mit Überge­wicht.

Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) rät diesen Frauen, ihre Schilddrüsenfunktion testen zu lassen. Auf der Pressekon­ferenz anlässlich des 60. Deutschen Kongresses für Endokrinologie in Würzburg am 15. März 2017 erläutern die Experten zudem, wer behandelt werden soll und weshalb alle Schwangeren Jodtabletten einnehmen sollten.

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Eine normale Funktion der Schilddrüse ist eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde Schwangerschaft. Bei einem Hormonmangel ist die Entwicklung des kindlichen Gehirns gefährdet; ferner kann es zu Früh- oder Fehlgeburten kom­men. „Viele Frauen haben während der Schwangerschaft zum ersten Mal eine Funktionsstörung“, erklärt Professor Dr. Dr. med. Dagmar Führer, Direktorin der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen am Universitäts­klinikum Essen. Ein Grund ist der um 50 Prozent erhöhte Hormonbedarf, den die gesunde Schilddrüse der Mutter abdeckt. Später produziert der Fötus das Hormon selber. Beide benötigen hierzu Jod, das Bestandteil des Hormons ist. Jodmangel in der Schwangerschaft ist gefährlich, weil dann nicht genügend Hormon gebildet werden kann. Die Frauen sollten während der gesamten Schwangerschaft und Stillzeit täglich eine Jodtablette einnehmen, rät die Ex­pertin. Die Dosisempfehlung liegt bei 150 Mikrogramm.

Ein weiterer Grund für Funktionsstörungen der Schilddrüse sind Autoimmun­erkrankungen, vor allem die Autoimmunthyreoiditis, bei der das Immunsystem Zellen des eigenen Körpers angreift und es zur Unterfunktion kommen kann. „Weltweite Untersuchungen zeigen, dass zwischen zwei und 17 Prozent aller Frauen mit Kinderwunsch Anzeichen für eine Autoimmunthyreoiditis und da­mit ein Risiko für eine Hypothyreose haben“, berichtet Führer. Die Expertin rät diesen Frauen, die Funktion ihrer Schilddrüse testen zu lassen. Dies gilt auch für Schwangere, die bereits in der Vergangenheit Probleme mit der Schilddrüse hatten oder bereits eine Fehl- oder Frühgeburt erlitten haben sowie für Frauen mit starkem Übergewicht.

Der Arzt bestimmt dabei die Konzentration des Steuerhormons TSH im Blut. TSH steigert die Hormonproduktion in der Schilddrüse. Bei einem Hormon­mangel ist der TSH-Wert erhöht. Die TSH-Werte sind bei Schwangeren anders als bei nichtschwangeren Frauen. Zur Orientierung wurde im Januar von der amerikanischen Schilddrüsengesellschaft (ATA) ein oberer TSH-Wert von 4 mU/l angegeben, dies ist höher als zuvor, so Professor Führer. „Die ATA-Empfehlungen wurden zusammen mit der Europäischen Schilddrüsengesell­schaft erarbeitet und sollten auch in Deutschland umgesetzt werden“, ergänzt Kongresspräsident Professor Dr. med. Martin Fassnacht, Schwerpunktleiter Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Würzburg. „Liegt ein echter Hormonmangel vor, sollte dieser unbedingt behandelt werden“, rät Fassnacht. Die Schwangere sollte täglich Levothyroxin einnehmen, ein Prä­parat, das natürliches Schilddrüsenhormon enthält und sehr verträglich ist.

„Die Bedeutung der Schilddrüse für die Gesundheit von Mutter und Kind wird leider unterschätzt“, sagt DGE-Mediensprecher Professor Dr. med. Matthias M. Weber. „Das Thema Schilddrüse fehlt weitgehend im Mutterpass“, bemängelt der Leiter der Endokrinologie der Universität Mainz: „Ein risikobasiertes Screening findet in Deutschland leider nicht statt, und die Einnahme der Jod-Tabletten bleibt noch immer der Eigeninitiative der Schwangeren überlassen.“

Quelle: dge2017.de (Link geprüft am 14.09.23)


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