Schilddrüsenkrankheiten sind Frauenkrankheiten

Frauen werden eher als Männer für psychisch krank gehalten. Ihre Beschwerden werden nicht selten herabgewürdigt und weniger ernst genommen. Das wirkt sich leider auch auf die eigentlich erforderliche Diagnostik und die Behandlungsqualität von schilddrüsenkranken Frauen aus.

Vielleicht haben Sie schon einmal irgendwo gelesen, dass Frauen beispielsweise an einer Hashimoto-Thyreoiditis zehnmal häufiger erkranken als Männer. Und genau diese Tatsache ist mitverantwortlich dafür, dass Hashimoto-Thyreoiditis-PatientInnen sehr häufig medizinisch ausgesprochen schlecht betreut werden. Denn auch heutzutage werden Frauen immer noch sehr viel eher als Männer für psychisch labil, wenig belastbar, schmerzempfindlich und wehleidig gehalten. In Kombination mit den oft unklaren und nicht immer eindeutigen Beschwerden einer Schilddrüsenfehlfunktion liegt die vorschnelle Vorverurteilung durch Ärztinnen auf der Hand („Von der Erkrankung der Schilddrüse kommen Ihre Beschwerden nicht und im Zweifelsfall müssen wir auch mal an psychosomatische Ursachen denken.“). Häufig ein Irrtum, der dazu führt, dass die notwendige Behandlung unterbleibt und Leidenswege von SchilddrüsenpatientInnen unnötig verlängert werden.

Hormonelle Umbruchphasen werden dabei häufig als Ausrede genutzt und zur Erklärung herangezogen. Es gibt scheinbar immer einen harmlosen und vermeintlich nicht behandlungsbedürftigen Grund dafür, warum es Frauen nicht gut geht.

Im Hinblick darauf spielen zum Beispiel die üblichen Erklärungsmuster für vermeintlich typische Frauenbeschwerden eine Rolle. Erst ist es die Pubertät weiblicher Sensibelchen, dann haben Frauen wegen einer Schwangerschaft „nah am Wasser gebaut“, es folgt die Überforderung der jungen Mutter, dann Probleme aufgrund der Doppelbelastung von Familie und Beruf, wahlweise das Empty-Nest-Syndrom oder Depressionen wegen Kinderlosigkeit, die Wechseljahre und schließlich Altersbeschwerden.

Das eigentliche Problem sind allerdings ÄrztInnen, die sich mit Schilddrüsenkrankheiten wie der Hashimoto-Thyreoiditis schlicht und ergreifend nicht gut genug auskennen. Es reicht eben nicht aus einmal im Jahr den TSH-Wert zu bestimmen und alle fünf Jahre eine Schilddrüsensonografie zu machen. Eine Schilddrüsenhormontherapie und eine Einstellung des TSH im Normalbereich garantiert keine Beschwerdefreiheit. Trotz Behandlung auftretende Krankheitssymptome sind folgerichtig nicht automatisch psychosomatisch bedingt.

Das Vertrauensverhältnis zwischen ÄrztInnen und PatientInnen ist leider manchmal nicht so gegeben wie es für eine offene Kommunikation wirklich notwendig wäre.

Wichtig wäre es, den Frauen einfach mal zuzuhören und sich anschließend die Mühe zu machen sorgfältig nach den Ursachen für den Symptomkomplex zu forschen. Könnte trotz vermeintlich normaler Schilddrüsenwerte nicht doch noch eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) vorliegen? Dann ist das Naheliegendste oft das Richtige –  die verbesserungswürdige Einstellung mit dem Schilddrüsenhormonpräparat zu optimieren. Frauen erwarten keine/n perfekte/n Ärztin/Arzt, aber jemanden der sie ernst nimmt und der sich kümmert. Und oft ist Ehrlichkeit der beste Weg. Warum nicht einfach sagen wie es ist „Die Schilddrüsenwerte sind eigentlich in Ordnung. Trotzdem kann es sein, dass eine Veränderung der Dosis Ihre Beschwerden lindert. Wenn Sie einverstanden sind, dann probieren wir das aus?“.

Die Realität sieht allerdings anders aus – auch weil viele Frauen ihr Verhalten längst angepasst haben. Mit dem viel zitierten Vertrauensverhältnis zwischen ÄrztInnen und PatientInnen ist es leider oft nicht allzu weit her. Anstatt von Schlafstörungen, Weinerlichkeit, Appetitlosigkeit, Verstopfung und Gewichtszunahme zu sprechen erwähnen die SchilddrüsenpatientInnen „aus Angst in der Psychoecke zu landen“ lieber nur anhaltende Magen-Darm-Probleme. Das macht es allerdings auch den ÄrztInnen ungleich schwieriger die richtige Diagnose zu stellen.


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