Was ändert sich bei schilddrüsenkranken Frauen in den Wechseljahren?

Schilddrüse und Wechseljahre
KI-generierte Grafik

Für SchilddrüsenpatientInnen sind die Wechseljahre eine besonders herausfordernde Zeit in der sie auch die Schilddrüsenerkrankung stets im Blick behalten müssen.

Die Wechseljahre beginnen bei Frauen in der Regel zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. Im Verlauf der Wechseljahre werden immer weniger der weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron produziert. Dadurch kommt es zunächst zu Zyklusstörungen (unregelmäßiger Zyklus, Zwischenblutungen) bis die Blutung schließlich ganz ausbleibt. Ungefähr jede zweite Frau ist bereits im Alter von 50 Jahren in der Menopause. Beendet sind die körperlichen Veränderungen im Zusammenhang mit den Wechseljahren allerdings oft erst mit ungefähr 60 Jahren.

Wechseljahresbeschwerden und die typischen Symptome von Schilddrüsenerkrankungen sind mitunter schwer auseinanderzuhalten.

Charakteristische Beschwerden, die auf eine Schilddrüsenerkrankung hinweisen können, sind Erschöpfungszustände, seelische Verstimmungen, Verdauungsstörungen (Durchfall, Verstopfung), Gewichtsveränderungen, Herzrasen, Haarausfall oder Konzentrations- und Gedächtnisschwäche. Frieren bei einer Schilddrüsenunterfunktion und Schwitzen bei einer Schilddrüsenüberfunktion.

Typische Wechseljahresbeschwerden sind

  • Müdigkeit und Erschöpfung
  • Nervosität und Gereiztheit aber auch depressive Verstimmungen
  • Herzrhythmusstörungen, Schwindel und Schlafstörungen,
  • Hitzewallungen bis hin zu Schweißausbrüchen
  • vermindertes Lustempfinden, Scheidentrockenheit und Zwischenblutungen

Schilddrüsenerkrankungen wie eine Hashimoto-Thyreoiditis brechen oft in den Wechseljahren aus.

Eine Autoimmunthyreoiditis wird häufig in Phasen hormoneller Umstellung (Pubertät, Schwangerschaft, Wechseljahre) diagnostiziert. Auch der Krankheitsverlauf einer vielleicht schon langjährig zufriedenstellend behandelten Hashimoto-Thyreoiditis verändert sich mitunter durch die Wechseljahre. Verantwortlich dafür ist insbesondere der Einfluss der Sexualhormone auf das Immunsystem. Das weibliche Sexualhormon Östrogen hat immunstimulierende, das weibliche Sexualhormon Progesteron immununterdrückende Eigenschaften.

Zitat: „Es ist bekannt, dass Autoimmunerkrankungen in Phasen der hormonellen Umstellung häufiger beginnen. […] Das bei einer bereits bestehenden Hashimoto-Thyreoiditis angeschlagene Gleichgewicht der Hormone kommt durch eine Dysbalance oder einen Mangel der weiblichen Hormone zusätzlich in Gefahr.“ (L. Brakebusch, A. E. Heufelder: „Leben mit Hashimoto-Thyreoiditis“, Zuckschwerdt-Verlag, München 2004, Seite 133).

Bei schilddrüsenkranken Frauen ist während der Wechseljahre fast immer eine Anpassung der Schilddrüsenhormondosis erforderlich.

Die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron wirken sich aber auch auf die bei einer Schilddrüsenunterfunktion täglich erforderliche Dosis des Schilddrüsenhormonpräparats aus, weil insbesondere das Östrogen die Anzahl der Bindungsproteine für die Schilddrüsenhormone erhöht. Wenn die körpereigene Produktion von Östrogen und Progesteron im Verlauf der Wechseljahre kontinuierlich abnimmt, verringert sich als Folge häufig auch der Schilddrüsenhormonbedarf. Das bedeutet, dass die bis zu diesem Zeitpunkt eingenommene Schilddrüsenhormondosis ebenfalls schrittweise reduziert werden muss.

Bei einer bestehenden Schilddrüsenüberfunktion bewirkt dies im Verlauf der Wechseljahre, dass die mit ihr einhergehenden Beschwerden deutlicher zu Tage treten. Die Überfunktion der Schilddrüse verschlimmert sich und muss entsprechend behandelt werden.

Zitat: „Die Wirkung der Schilddrüsenhormone auf die Körperzellen verstärkt sich, dies betrifft auch eine bis dahin klinisch unbemerkte, beginnende Überfunktion, die sich in den Wechseljahren bemerkbar macht.“ (L.-A. Hotze, Schilddrüse. Mehr wissen – besser verstehen. TRIAS-Verlag, Stuttgart 2008, Seite 176).

In einigen, alternativmedizinischen Veröffentlichungen wird dieser Effekt auch als Schilddrüsenhormonresistenz aufgrund einer vermeintlich behandlungsbedürftigen Östrogendominanz bezeichnet. Das ist meines Erachtens aber nicht korrekt – oft ist die eigentliche Ursache eine bis dato unzureichend behandelte Schilddrüsenunterfunktion.

Hormonersatztherapie

Diesbezüglich sollte übrigens auch daran gedacht werden, dass eine Hormonersatztherapie mit Östrogen ebenfalls zu einem Anstieg der Bindungsproteine für die Schilddrüsenhormone führt, so dass auch dadurch die Dosisfindung bei der Behandlung mit einem Schilddrüsenhormonpräparat erschwert wird.

Zitat: „Man weiß, dass Progesteron immundämpfend wirkt. Deshalb kann die gleichzeitige Hormonersatztherapie mit L-Thyroxin und einer Östrogen/Progesteron-Kombination sowohl Wechseljahrbeschwerden als auch Hashimoto-Symptome günstig beeinflussen.“ (E.J. Wormer, Hashimoto, Mankau Verlag, Murnau am Staffelsee 2017, Seite 91)

Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Knochenschwund steigt an.

Schilddrüsenfunktionsstörungen haben bekanntermaßen einen Einfluss sowohl auf das Herz-Kreislauf-System als auch auf die Knochendichte.

Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose)

Durch die verminderte Produktion von Östrogenen steigt insbesondere bei einer bestehenden Schilddrüsenüberfunktion das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen an und der Verlust an Knochenmasse beschleunigt, d.h. das Osteoporose-Risiko nimmt zu.

Zitat: „Der menopausale Estrogenabfall akzeleriert das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und führt zu einer überproportionalen Abnahme der Knochendichte. […]  Insgesamt sind erniedrigte TSH-Werte bei älteren Frauen entweder aufgrund einer Schilddrüsenerkrankung (autonomes Adenom, autonomisierte Struma, M. Basedow) oder aufgrund einer Übertherapie mit L-Thyroxin relativ häufig und sollten aufgrund der zusätzlichen Risiken beachtet werden.“  (K. Frank-Raue u. F. Raue, Schilddrüsenfunktionsstörungen ab der Menopause: Akkumulation von Risiken, in: Dtsch Arztebl Int 18/2023, Direktlink)

Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)

Im Unterschied dazu, ist die Schilddrüsenhormontherapie bei älteren Frauen mit einer leichten Schilddrüsenunterfunktion angesichts der oben genannten Risiken sowie nicht nachweisbarer positiver Effekte auf das Herz-Kreislauf-System umstritten. Das führt dazu, dass insbesondere bei Schilddrüsenpatientinnen im Alter von über 80 Jahren oft erst bei TSH-Werten von > 10 mIU/L, also einer deutlichen Schilddrüsenunterfunktion behandelt wird.

Aus dem Blickwinkel der Schilddrüsenselbsthilfe möchte ich dazu anmerken, dass nach meiner Erfahrung die auch bei niedrigeren TSH-Werten vorhandenen Beschwerden häufig nicht ausreichend berücksichtigt oder als hinzunehmende Altersbeschwerden leichtfertig abgetan werden.

Gewichtzunahme kann sowohl durch eine Unterfunktion der Schilddrüse als auch durch die Wechseljahre bedingt sein

Viele Frauen leiden sowohl während einer Schilddrüsenunterfunktionsphase als auch ab der Menopause unter einer teils deutlichen Gewichtszunahme. Wird beispielsweise eine Hashimoto-Thyreoiditis während der Wechseljahre diagnostiziert ist es nahezu unmöglich eindeutig zu sagen, woran das liegt.

Zitat: „Durch die Veränderungen, die das Klimakterium mit sich bringt, kann auch eine Zunahme des Körpergewichts begünstigt werden. Leider hat es die Natur so eingerichtet, dass Fettdepots mit zunehmendem Lebensalter eher bauchbetont angelegt werden. Diese Körpergewichtsveränderungen können also in diesem Lebensabschnitt nicht immer allein der Schilddrüsenhormonbehandlung zugeschrieben werden, sondern sind durch hormonelle Veränderungen im Sexualhormonhaushalt bedingt.“ (J. Feldkamp, Gut leben mit Hashimoto, TRIAS-Verlag, Stuttgart 2018, Seite 125)

Die Beschwerden während der Wechseljahre ähneln oft den Krankheitssymptomen von Schilddrüsenerkrankungen. Da insbesondere die Hashimoto-Thyreoiditis und der Morbus Basedow gehäuft in Phasen hormoneller Umstellung ausbrechen, sollte bei einer unklaren Symptomatik immer auch eine sorgfältige Untersuchung der Schilddrüse erfolgen. Auch der Schilddrüsenhormontherapie sollte in dieser Lebensphase besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden und die Schilddrüsenhormone eher etwas engmaschiger kontrolliert werden.


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