Mythos oder Wahrheit – Krankheitsschübe bei der Hashimoto-Thyreoiditis

Plötzliche Veränderungen der Schilddrüsenwerte und das mehrmalige Wiederauftreten von Krankheitssymptomen können bei der Hashimoto-Thyreoiditis auf einen schubförmigen Verlauf hinweisen. 

Es ist wissenschaftlich unklar und unter MedizinerInnen umstritten, ob die Schilddrüsenautoimmunerkrankung → Hashimoto-Thyreoiditis  überhaupt schubweise verläuft bzw. ob diese möglicherweise doch vorkommenden Krankheitsschübe von den betroffenen SchilddrüsenpatientInnen bemerkt werden können. Für die behandelnden ÄrztInnen sind die entsprechenden Schilderungen der Hashimoto-Thyreoiditis-Erkrankten oft nicht nachvollziehbar.

Überlegungen zur Diagnose eines Krankheitsschubs bei der Hashimoto-Thyreoiditis

Wie bereits erwähnt fehlen zu diesem Aspekt des Krankheitsbildes aussagekräftige, medizinische Forschungen und es finden sich ebenso wenig Meinungsäußerungen von anerkannten SchilddrüsenspezialistInnen. Deshalb gibt es im Hinblick auf die Diagnose eines Krankheitsschubs bei der Hashimoto-Thyreoiditis auch keine klar definierten, allgemein anerkannten Kriterien.

Das hat zur Folge, dass

  • die meisten ÄrztInnen unverändert der Meinung sind „Es gibt keine Krankheitsschübe bei der Hashimoto-Thyreoiditis!“.
  • fast alle davon betroffene Hashimoto-Thyreoiditis-PatientInnen unter einem Krankheitsschub etwas anderes versteht.
  • schon geringe Schwankungen im Allgemeinbefinden als Krankheitsschub bezeichnet und der Begriff entsprechend inflationär verwendet wird.

Aus meiner Sicht sinnvolle Kriterien für die Definition eines Krankheitsschubes bei der Hashimoto-Thyreoiditis wären das zeitgleiche Zusammentreffen von

1. Charakteristische Beschwerden:

  • Lokalsymptome: Druck- oder Kloßgefühl im Hals, ziehende Schmerzen sowie gerötete und überwärmte Haut im Bereich der Schilddrüse
  • Grippegefühl mit „subjektiv heißem Kopf“ (selten messbares Fieber) ohne klassische Grippesymptome wie Husten und Schnupfen.
  • Muskel- und Gelenkschmerzen (Betroffene schildern auffallend oft Beschwerden im Bereich der Hand-, Finger-, Fuß- und Zehengelenke sowie Muskelschmerzen im Schultergürtelbereich und den Oberschenkeln)
  • Abgeschlagenheit, Erschöpfungszustand

2. Messbare Auswirkungen:

  • Anstieg der Antikörper (TPO-AK und/oder TG-AK). Hier besteht das Problem, dass die Bedeutung der Antikörper im Krankheitsverlauf unklar ist und diese nach der Erstdiagnose meist nicht mehr bestimmt werden.
  • Größenabnahme der Schilddrüse. Das könnte zumindest bei der atrophen Variante der Hashimoto-Thyreoiditis ein Hinweis auf einen vorausgegangenen Krankheitsschub sein.
  • Veränderung der Schilddrüsenparameter (Anstieg des TSH, Abfall von fT3 bzw. fT4). Dies gilt allerdings auch nur in den Anfangsstadien der Hashimoto-Thyreoiditis, d.h. solange nicht bereits der vollständige Tagesbedarf substituiert wird.

3. Auszumachende Auslöser:

  • länger anhaltender Stress
  • im Anschluss an Infektionskrankheiten (bakteriell oder viral). Das scheint eine ganz entscheidende Ursache für einen Krankheitsschub im Zusammenhang mit der Hashimoto-Thyreoiditis zu sein!
  • (längerfristige) Jodaufnahme in hohen Dosen
  • Hormonschwankungen, z.B. 3 – 6 Monate nach der Geburt eines Kindes (immunologischer Rebound-Effekt). Interessant ist, dass fast nur Frauen im gebärfähigen Alter über Krankheitsschübe berichten. Und dass diese Krankheitsschübe bei ihnen vorwiegend in der ersten Zyklushälfte (bis zum Eisprung) auftreten. Das könnte auf einen möglichen Östrogen-Einfluss hindeuten.
  • Aufhören zu Rauchen

Von einem Krankheitsschub grundsätzlich abzugrenzen ist das ohnehin schwankende Allgemeinbefinden vor der Diagnose und auch während der mehrmonatigen Einstellungsphase mit einem Schilddrüsenhormonpräparat. Ob man einen Krankheitsschub hat oder nicht, kann man selbst bzw. auch der behandelnde Arzt eigentlich nur sicher erkennen, wenn man ansonsten einen stabilen Gesundheitszustand (das muss keine Beschwerdefreiheit sein) bei einer gleich bleibenden Schilddrüsenhormondosis erreicht hat.

Symptome einer Schilddrüsenüberfunktion: Im Anfangsstadium der Hashimoto-Thyreoiditis kann es – das ist auch unter ÄrztInnen unstrittig – zu mäßigen Überfunktionssymptomen kommen. Durch die Entzündung in der Schilddrüse werden Schilddrüsenzellen zerstört und die darin gespeicherten Schilddrüsenhormone schlagartig freigesetzt. Dies bezeichnet man auch als Hashitoxikose oder Leck-Hyperthyreose.

Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion: Ein im späteren Krankheitsverlauf Wiederauftreten von Unterfunktionssymptomen ist nicht Anzeichen, sondern Folge eines Krankheitsschubs. Bei einem Krankheitsschub wird, sofern noch vorhanden, funktionsfähiges Schilddrüsengewebe zerstört. Deshalb ist nach einem Krankheitsschub oft eine Dosiserhöhung erforderlich.

Spekulationen im Hinblick auf mögliche Behandlungsansätze

1. Schilddrüsenoperation

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine chronische Erkrankung, aber sie verläuft mit unterschiedlicher Aktivität. Deshalb unterscheiden ÄrztInnen oft zwischen „florider/aktiver“ und „ausgebrannter/abgelaufender“ Entzündung. Unterscheidungskriterien sind beispielsweise die Höhe/das Vorhandensein von Autoantikörpern sowie bei der atrophen Variante die Schilddrüsengröße. Im Krankheitsverlauf (durch die Schilddrüsenhormontherapie oder weil immer weniger Schilddrüsengewebe vorhanden ist?) lassen die Krankheitsschübe oft nach. Von daher gibt es immer mal wieder Diskussionen darüber, ob eine Schilddrüsenoperation bei der Hashimoto-Thyreoiditis unter Umständen (schwierig einzustellende Schilddrüsenstoffwechsellage, anhaltende schilddrüsenbedingte Beschwerden) sinnvoll sein kann. Bislang wird das aber nur in Ausnahmefällen gemacht.

2. Anpassung der Schilddrüsenhormondosis 

Die Dauer der Krankheitsschübe bei der Hashimoto-Thyreoiditis ist unklar. Oftmals kommt es „nur“ für ein bis drei Tage zu einer massiven Verschlechterung des Allgemeinbefindens. Deshalb ist mehr als fraglich, ob kurzfristige Dosisanpassungen tatsächlich erfolgreich sind oder ob es nicht sinnvoller ist einfach abzuwarten. Angesichts der geringen Halbwertszeit, könnte man ohnehin nur die T3-Dosis erhöhen oder senken. Bis eine Veränderung beim T4 bemerkt wird, ist der Krankheitsschub ohnehin meist wieder vorbei.

3. TSH-suppressive Einstellung mit einem Schilddrüsenhormonpräparat

Etliche Hashimoto-Thyreoiditis-Erkrankte berichten, dass als Nebeneffekt einer TSH-suppressiven Einstellung mit einem handelsüblichen Schilddrüsenhormonpräparat Krankheitsschübe seltener oder gar nicht mehr auftreten. Angesichts der möglichen Nebenwirkungen einer Schilddrüsenüberfunktion kann dies allerdings nicht allgemein empfohlen werden. Es ist meines Erachtens auch unklar, ob das wirklich an der TSH-Suppression liegt oder ob zusätzlich zum T4 eingenommenes T3 (deshalb war in den meisten Fällen das TSH supprimiert) dafür verantwortlich ist.

4. Selbsthilfe (Nahrungsergänzungsmittel, Kälteanwendungen)

Zur Linderung akuter Beschwerden im Halsbereich lohnt sich ein Versuch mit der hoch dosierten Einnahme von Selen, Bromelain und Omega-3-Fettsäuren. Auch lokale Kälteanwendungen (Kühlpack, Lehmwickel) können die Beschwerden während eines Krankheitsschubs unter Umständen lindern.

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Nicole Wobker „Psychische Aspekte der Diagnose Hashimoto-Thyreoiditis “ (Amazon-Partnerlink)

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist keine psychische Erkrankung. Und doch führen weit verbreitete Beschwerden wie innere Unruhe, Unsicherheit, Selbstzweifel, Schlafstörungen und Erschöpfungszustände gerade im Anfangsstadium der Autoimmunerkrankung häufig zu entsprechenden Fehldiagnosen ( Angststörung, Burnout, Depression).


Letzte Aktualisierung: 09. Februar 2024