Möglicher Zusammenhang zwischen ADHS und Erkrankungen der Schilddrüse

Grundsätzlich ist es so, dass Aufmerksamkeitsdefizitstörungen und Schilddrüsenfehlfunktionen sich mit sehr ähnlichen Symptomen äußern können. Deshalb sollte bei einem ADHS-Verdacht immer auch eine sorgfältige Schilddrüsendiagnostik erfolgen. Dies gilt angesichts möglicher Nebenwirkungen und Langzeitschäden insbesondere vor dem Einleiten einer medikamentösen Therapie. Fehldiagnosen scheint es indes häufiger zu geben. Mir selbst sind mehrere Fälle bekannt bei denen zunächst eine ADHS-Diagnose gestellt wurde, bevor dann manchmal erst nach Jahren die Schilddrüse untersucht, eine Schilddrüsenerkrankung diagnostiziert und erfolgreich (bis zum völligen Verschwinden vermeintlicher ADHS-Symptome) behandelt wurde. „Hierzu reicht es nicht, lediglich den TSH-Wert zu bestimmen. Es sollten neben fT3, fT4 und TSH auch die TPO-Antikörper bestimmt und eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse veranlasst werden. Nicht wenige Kinder und Jugendliche werden jahrelang fälschlicherweise auf ADS-Syndrom behandelt, obwohl eigentlich eine autoimmune Schilddrüsenkrankheit besteht“ (L. Brakebusch, A. E. Heufelder: „Leben mit Hashimoto-Thyreoiditis“, Zuckschwerdt-Verlag, München 2004, Seite 145).

Andererseits beweist das Vorliegen einer Schilddrüsenerkrankung (z.B. Hashimoto-Thyreoiditis) nicht gleichzeitig das Nicht-Vorliegen einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung (z.B. ADHS). Beide Erkrankungen können auch gemeinsam auftreten. Ob sie auffällig häufig miteinander vergesellschaftet sind, wird manchmal vermutet und wurde auch schon untersucht. Allerdings sind die relativ alten Ergebnisse nicht sehr eindeutig. (Weiss, Stein, Trommer, Refetoff „Attention-deficit hyperactivity disorder and thyroid function“, J Pediatr 1993, 123(4): 539 – 545 und Toren, Karasik, Eldar, Wolmer u.a. „Thyroid function in attention deficit and hyperactivity disorder“, J Psychiatr Res 1997, 31(3): 359 -363)

Es ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen, dass hormonelle Störungen eine mögliche Ursache für ADHS sind. Von daher stehe ich verallgemeinernden Erklärungsansätzen einzelner Ärzte wie „Bei ADHS handelt es sich meist um eine gesteigerte Aktivität der Schilddrüse (und anderer Hormone) im Wachsstumsalter“ (B. Rieger: „Die Schilddrüse. Balance für Körper und Seele“, Herbig-Verlag, München 2007, Seite 22) oder „Meiner Ansicht nach kann man die Ursachen für ADS und ADHS einfach erklären: zu wenig Progesteron und zu viel Insulin, und im Fall von ADHS auch noch zu viel Adrenalin“ M. Platt: „Die Hormonrevolution“, VAK Verlags GmbH 2009, Seite 153) skeptisch gegenüber.

Ein möglicher Zusammenhang zwischen einer Schilddrüsenfehlfunktion und ADHS könnte eine Störung des Gehirnstoffwechsels sein. Gelegentlich wird außerdem argumentiert, dass der Stoffwechsel der neuronalen Botenstoffe einer Regulation durch die Schilddrüsenhormone unterliegt. Und das ADHS im Grunde nichts anderes sei als eine Stoffwechselstörung die zu einem Ungleichgewicht der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin führt, also durchaus durch eine Schilddrüsenfehlfunktion ausgelöst werden kann.


Nicole Wobker „Psychische Aspekte der Diagnose Hashimoto-Thyreoiditis “ (Amazon-Partnerlink)

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist keine psychische Erkrankung. Und doch führen weit verbreitete Beschwerden wie innere Unruhe, Unsicherheit, Selbstzweifel, Schlafstörungen und Erschöpfungszustände gerade im Anfangsstadium der Autoimmunerkrankung häufig zu entsprechenden Fehldiagnosen ( Angststörung, Burnout, Depression).