Chirurgische Therapie von gut- und bösartigen Schilddrüsenerkrankungen

Der nachfolgende Text wurde freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Dr. Andrea Beuleke und Prof. Dr. Joachim Jähne (Klinik für Allgemein- u. Visceralchirurgie, Schwerpunkt endokrine u. onkologische Chirurgie, Henriettenstiftung Hannover).

1. Anatomische und funktionelle Grundlagen

Die schmetterlingsförmige Schilddrüse liegt vor bzw. seitlich der Luftröhre unterhalb des Kehlkopfes. Sie gehört zu den endokrinen Drüsen des Menschen und produziert jodhaltige Hormone. Diese üben eine aktivierende Funktion auf Grundumsatz und Stoffwechsel aus und greifen somit in viele Funktionen des Körpers ein. Direkt hinter der Schilddrüse zieht beidseits neben der Luftröhre der Stimmbandnerv, der für eine intakte Sprachfunktion verantwortlich ist, zum Kehlkopf. Daneben finden sich auf beiden Seiten der Schilddrüse jeweils zwei sogenannten Nebenschilddrüsen, die für den Calcium-Stoffwechsel des Körpers von Bedeutung sind.

2. Erkrankungen der Schilddrüse

Die häufigste Erkrankung der Schilddrüse – die knotige oder auch gleichmäßige Vergrößerung, auch Kropf oder Struma genannt – wird durch Jodmangel hervorgerufen. Wird der Schilddrüse über die Nahrung zu wenig Jod zugeführt, versucht die Schilddrüse durch Wachstum und Vergrößerung diesen Jodmangel auszugleichen. Diese Vergrößerung kann mit Knotenbildung einhergehen und ist manchmal auch äußerlich sichtbar. Meistens liegt hierbei eine normale Stoffwechselfunktion der Schilddrüse vor.

Ferner gibt es Schilddrüsenerkrankungen, die sich durch Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse auszeichnen. Diese können mit einer Vergrößerung oder Knotenbildung der Schilddrüse einhergehen. Außerdem gibt es auch bösartige Tumore (Karzinome) der Schilddrüse.

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3. Typische Beschwerden

Die vergrößerte Schilddrüse (Struma) kann zu einem Enge- Druck- oder Kloßgefühl am Hals führen. Engt die Schilddrüse aufgrund ihrer Größe Luft- oder Speiseröhre ein können auch Luftnot und Schluckbeschwerden auftreten. Eine Schilddrüsen-Überfunktion (Hyperthyreose) wird hervorgerufen durch einzelne Knoten oder auch durch multiple kleinknotige Veränderungen der Schilddrüse, die zu viel Schilddrüsenhormon produzieren. Die Überfunktion kann mit Herzrasen, Gewichtsverlust, Unruhe, Nervosität, Wärmeintoleranz und Schwitzen einhergehen. Zu unterscheiden ist von der knotigen evtl. vergrößerten Schilddrüse mit Überfunktion die Immunerkrankung Morbus Basedow. Diese spezielle Form der Überfunktion kann mit einer typischen Augenerkrankung (Hervortreten der Augen, vermehrtes Tränen oder Brennen der Augen) kombiniert sein. Die Schilddrüsen-Unterfunktion (Hypothyreose) geht typischerweise mit Symptomen wie Müdigkeit, Gewichtszunahme etc. einher.

4. Untersuchungen

Wird eine Schilddrüsenerkrankung vermutet, kommen zur weiteren Abklärung folgende Untersuchungen in Betracht:

Körperliche Untersuchung durch den Arzt:

Eine Vergrößerung oder Knoten können häufig bereits durch Abtasten des Halses bzw. der Schilddrüse festgestellt werden.

Labor:

Mit Hilfe einer Blutentnahme kann der Anteil von Schilddrüsenhormonen im Blut bestimmt werden. Hierdurch kann beispielsweise eine Unter– bzw. Überfunktion der Schilddrüse festgestellt oder ausgeschlossen werden. Spezielle Tumormarker können auf eine bösartige Entartung in der Schilddrüse hindeuten.

Sonographie bzw. Ultraschalluntersuchung:

Durch eine Schilddrüsen-Sonographie lassen sich Lage und Größe der Schilddrüse erfassen. Ferner können Knoten dargestellt werden.

Szintigraphie:

Die Szintigraphie ist eine nuklearmedizinische Untersuchung, die eine Aussage über den Funktionszustand der Schilddrüse bzw. der einzelnen Knoten zulässt. Heiße Knoten (heiße Adenome, autonomes Adenom) nehmen mehr Jod auf als die sogenannten kalten Knoten. Sie produzieren zu viele Hormone und sind damit überaktiv (autonom). Kalte Knoten nehmen weniger bis kein Jod auf, sie können gutartige Zysten, gutartige Adenome, in seltenen Fällen aber auch Karzinome sein.

Feinnadelpunktion:

Ob ein Knoten gutartig oder bösartig ist, kann auch durch Punktion festgestellt werden: Mit einer feinen Nadel wird eine Probe des knotigen Schilddrüsengewebes entnommen und anschließend unter dem Mikroskop untersucht.

Nach diesen Untersuchungen kann eine Empfehlung zur Behandlung der Schilddrüsenerkrankung gegeben werden.

Behandlungsmöglichkeiten / Operative Behandlung

Hier kommen – je nach Erkrankung – verschiedene Therapieformen in Betracht: Bei leichter Vergrößerung der Schilddrüse ist zunächst eine medikamentöse Therapie (Gabe von Schilddrüsenhormon und/oder Jod als Tablette) indiziert. Zur Verlaufskontrolle sind regelmäßige Blutkontrollen sowie Ultraschalluntersuchungen bzw. eine Szintigraphie sinnvoll.

Wann sollte die vergrößerte knotige Schilddrüse operiert werden?

  • Je größer die Struma
  • Bei Wachstum der knotigen Veränderungen
  • Bei lokalen Beschwerden
  • Bei auffälligen kalten Knoten (Unbedingt bei Verdacht auf Bösartigkeit)

Die Behandlung einer Überfunktion der Schilddrüse kann alternativ zur Operation auch medikamentös oder durch radioaktives Jod (Radiojodtherapie) erfolgen. Die Festlegung der bestmöglichsten Therapie erfolgt in der Regel in Zusammenschau aller Untersuchungsbefunde im Konsens der beteiligten Ärzte, des Patienten und dem erfahrenen Chirurgen.

5. Gutartige Erkrankungen der Schilddrüse
5.1 Morphologie– und funktionsgerecht

Hierbei wird das gesamte knotig veränderte oder funktionell überaktive Gewebe entfernt. Das bedeutet: Abhängig von der Erkrankung der Schilddrüse wird ganz unterschiedlich viel Restgewebe entfernt beziehungsweise zurückgelassen. Liegt beispielsweise lediglich ein einzelner Knoten vor, so ist es u. U. ausreichend, nur diesen zu entfernen. Liegen viele knotige Veränderungen vor, kann es erforderlich sein, die gesamte Schilddrüse zu entfernen.

Das Eingriffsziel bei einer Überfunktion ist die langzeitig erfolgsversprechende ausgedehnte Entfernung von Schilddrüsengewebe. Vor allem bei dem sog. Morbus Basedow sollte nicht zuviel Schilddrüsenrestgewebe zurückgelassen werden. Das anzustrebende Restvolumen beträgt 2 – 4 ml. Wird mehr Restgewebe bei dieser Erkrankungsform zurückgelassen, ist das Risiko eines Rezidives (Wiederauftreten des Kropfes) nicht ganz unerheblich. Wiederholungseingriffe (Rezidivoperationen) durch Knotenneuwachstum oder Wiederauftreten einer Schilddrüsenüberfunktion sind weitaus aufwendiger und mit gesteigerten Risiken verbunden.

5.2 Schonung des Stimmbandnerven und der Nebenschilddrüsen

Bei allen Schilddrüsenoperationen wird vom Operateur darauf geachtet, dass der Stimmbandnerv und die Nebenschilddrüsen, die dicht an der Schilddrüse liegen, unbedingt geschont werden.

Dies erreicht u. a. man durch: Genauestes, möglichst blutarmes Operieren. Durchführung des Eingriffes mit Lupenbrille (Vergrößerung 3,5 fach). Einsetzen von Neuromonitoring (Kontrolle des Stimmbandnerven unter der Operation durch Elektrostimulation). Besonders bei Wiederholungseingriffen und in der Schilddrüsenkrebs-Chirurgie ist diese Methode eine große Hilfe.

5.3 Risiken der Operation

Wundheilungsstörungen: 1 – 5 %

Unterfunktion der Nebenschilddrüsen: vorübergehend bis zu 25% / bleibend ca. 1%

Bei Verletzung oder gar Entfernung der höchstens reiskorngroßen Nebenschilddrüsen treten Störungen des Calcium-Haushaltes auf. Dies kann zu einem Kribbelgefühl zum Beispiel in den Händen führen und die Einnahme von Calcium-Tabletten erfordern. Diese Unterfunktion ist jedoch häufig nur vorübergehend bzw. rückläufig.

Verletzung des Stimmbandnerven: vorübergehend bis zu 7% / bleibend ca. 1%

Der Stimmbandnerv steuert die Beweglichkeit der Stimmbänder. Wird er verletzt kommt es zu einer heiseren und etwas leiseren Stimme. Selten zu Atemstörungen. Bei einer permanenten Verletzung sollte eine logopädische Mitbetreuung erfolgen.

5.4 Nachbehandlung / Nachsorgekonzept

Noch während des stationären Aufenthaltes erfolgt nach der Operation eine Untersuchung der Stimmbänder durch den Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Zusätzlich zu dem während der Operation durchgeführtem Neuromonitoring soll hierbei die Funktion des Stimmbandnerven auf ihre Intaktheit überprüft werden.

Häufig liegt nach einer Schilddrüsenoperation eine Unterfunktion der Schilddrüse vor. Da diese nicht mehr ausreichend körpereigenes Schilddrüsenhormon produzieren kann, muss dieses zeitlebens ,,von außen“ als Tablette zugeführt werden. Daher ist ggf. eine Substitution mit Levothyroxin (Schilddrüsenhormon) und/oder Jod unter Berücksichtigung von Resektionsausmaß, Funktion und individuellen Gegebenheiten (Sonographie, Szintigraphie, Labor) erforderlich. Zur Festlegung der Medikation ist die 1. Kontrolle ca. 2 – 4 Wochen nach der Operation, abhängig vom verbliebenen Restgewebe, in der vorbehandelnden nuklearmedizinischen Praxis zu empfehlen. Hierbei erfolgt die Kontrolle der Hormone im Blut, eventuell Ultraschall und/oder eine Szintigraphie und anschließend die exakte Hormoneinstellung. Die exakte Nachsorge soll ein Wiederauftreten des Kropfes (Rezidiv) oder eine Funktionsstörung verhindern.

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6. Bösartige Erkrankungen der Schilddrüse

Unter Schilddrüsenkrebs versteht man einen bösartigen Tumor (Karzinom) in der Schilddrüse. Ein Tumor entsteht, wenn sich Zellen unkontrolliert teilen und vermehren. Schilddrüsenkrebs ist eine seltene Tumorerkrankung. In ganz Deutschland erkranken jährlich rund 2.000 bis 3.000 Menschen an Schilddrüsenkrebs, Frauen sind etwa 3 x häufiger betroffen als Männer. Die Heilungschancen bei Schilddrüsenkrebs sind gut, sie sind unter anderem abhängig von Art und Ausdehnung des Tumors sowie dem Alter des Patienten. Wie bei allen Krebsarten gilt auch hier: Je früher die Erkrankung entdeckt wird, desto größer sind die Heilungschancen.

6.1 Unterschiedliche Krebsarten

Man unterscheidet die verschiedenen Schilddrüsenkrebsarten nach den Zelltypen grundsätzlich in differenzierte, undifferenzierte und medulläre Karzinome. Die differenzierten Karzinome machen rund 80 bis 90 % aller bösartigen Schilddrüsenkarzinome aus. Weiterhin werden diese unterschieden in papilläre und follikuläre Tumore. Die differenzierten Schilddrüsenkarzinome ähneln weitgehend dem gesunden Schilddrüsengewebe und haben durch diese Ähnlichkeit und durch das relativ langsame Tumorwachstum die besten Heilungschance. Eine besondere Tumorart stellen die medullären Karzinome dar. Diese können familiär gehäuft auftreten und dann auch mit anderen endokrinen Erkrankungen kombiniert sein. Die undifferenzierten Karzinome betreffen eher den älteren Menschen und wachsen recht aggressiv.

6.2 Veränderungen, die auf Bösartigkeit hinweisen könnten
  • fehlende Schluck-/ Hautverschieblichkeit
  • rasches Wachstum
  • Heiserkeit
  • frühere Bestrahlung des Halses
6.3 Behandlung bei Schilddrüsenkrebs

In der Regel beginnt die Behandlung bei einem bösartigem Tumor der Schilddrüse mit der Entfernung der gesamten Schilddrüse und der umgebenden Lymphknoten. Etwa drei bis sechs Wochen nach der Operation folgt eine Radiojodtherapie, bei der noch vorhandenes, jodspeicherndes Restgewebe und mögliche Metastasen zerstört werden. Da der Patient nun keine körpereigenen Schilddrüsenhormone mehr produzieren kann, muss er diese zeitlebens ,,von außen“ als Tablette zuführen.

Die Heilungschancen sind bei einem differenzierten Schilddrüsenkarzinom sehr gut. Da dennoch bei einer geringen Patientenzahl Rückfälle möglich sind, ist eine lebenslange Nachsorge der Patienten wichtig.

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Spezial: operative Eingriffe an der Schilddrüse (Schilddrüsenoperation)

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