Neue Erkenntnisse zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen während der Corona-Pandemie

Es gibt eine aktuelle, leider nur auf Englisch verfügbare Veröffentlichung, die sich mit Schilddrüsenfunktionsstörungen während der COVID-19-Pandemie auseinandersetzt:

Kristien Boelaert , W Edward Visser , Peter Nicholas Taylor , Carla Moran , Juliane Léger and Luca Persani „ENDOCRINOLOGY IN THE TIME OF COVID-19: Management of hyperthyroidism and hypothyroidism“, European Journal of Endocrinology (Link war am 14.09.23 nicht mehr erreichbar und wurde gelöscht)

Nachfolgend sind die wichtigsten Aussagen zusammengefasst.

Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) und Thyreotoxikose

Es wird darauf hingewiesen, dass eine bereits bestehende Schilddrüsenüberfunktion die sich zu einer thyreotoxischen Krise (Vergiftung mit Schilddrüsenhormonen) verschlimmert zu schwerwiegenden Komplikationen einer SARS-CoV-2-Infektion führen kann.

Die Behandlung mit Thyreostatika (Schilddrüsenhemmern) kann als Nebenwirkung eine geschwächte Immunabwehr (Neutropenie, Verminderung der Granulozyten) zur Folge haben. Dies kann das Fortschreiten von COVID-19 begünstigen.

Die Symptome einer Infektion mit dem Coronavirus sind offenbar nicht sicher von denen einer durch Thyreostatika induzierten Neutropenie zu unterscheiden.

Wenn unter der Therapie mit Thyreostatika grippeähnliche Symptome auftreten, sollte deshalb unbedingt eine Neutropenie ausgeschlossen werden. In dem Fall wird empfohlen die schilddrüsenhemmenden Medikamente abzusetzen und stattdessen eine Schilddrüsenoperation oder Radioiodtherapie in Betracht zu ziehen.

Endokrine Orbitopathie (Augenbeteiligung beim Morbus Basedow, sehr selten auch bei der Hashimoto-Thyreoiditis)

Bei PatientInnen mit COVID-19-Infektion kann es offenbar zu einer Bindehautentzündung kommen. Dies kann bei PatientInnen mit neuer oder bereits bestehender Endokriner Orbitopathie zu diagnostischen Schwierigkeiten führen.

Das Fortschreiten der Endokrinen Orbitopathie sollte deshalb nach Möglichkeit verhindert werden. Im Hinblick darauf wird insbesondere auf den Nutzen der Raucherentwöhnung sowie der Selen-Supplementierung verwiesen.

Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)

Was die Behandlung von PatientInnen mit einer Unterfunktion der Schilddrüse angeht, sind bisher keine nennenswerten Auffälligkeiten bekannt.

Unerlässlich ist, dass den Betroffenen immer ausreichend Schilddrüsenhormone zur Verfügung stehen sollten.

Während der Schwangerschaft sollte die L-Thyroxin-Dosis auch dann erhöht werden, wenn die regelmäßige Durchführung von Kontrollen der Schilddrüsenwerte während der Corona-Pandemie nicht gewährleistet werden kann.

Es ist außerdem wichtig, dass das Neugeborenen-Screening auf angeborene Hypothyreose unverändert mit besonderer Aufmerksamkeit durchgeführt wird, um eine verzögerte Diagnose und Behandlung zu vermeiden.

COVID-19 und Schilddrüsenautoimmunerkrankungen

Es gibt keine Hinweise darauf, dass PatientInnen mit bestehender Autoimmunerkrankung der Schilddrüse grundsätzlich anfälliger für Viruserkrankungen sind. Dies gilt auch für eine Infektion mit SARS-CoV-2. Weiter gibt es aktuell auch keinen Beweis dafür, dass sie das Risiko haben, eine schwerere COVID-19-Krankheit zu entwickeln.

Etwas anders sieht es allerdings bei PatientInnen aus, die sich wegen einer Endokrinen Orbitopathie einer immunsuppressiven Therapie unterziehen. Sie haben wahrscheinlich ein erhöhtes Risiko, eine schwere COVID-19-Erkrankung zu entwickeln.

Low-T3-Syndrom bei schweren COVID-19-Verläufen

Es ist bekannt, dass systemische Erkrankungen mit einem Low-T3-Syndrom assoziiert sind. Es wird erwartet, dass ein schwerer COVID-19-Krankheitsverlauf ebenfalls einen solchen Zustand hervorruft. Dies gilt insbesondere, wenn die Infektion – wovon auszugehen ist – mit Fieber sowie einer Beteiligung der unteren Atemwege verbunden ist.


SDG-Tipp: Coronavirus, COVID-19 und Schilddrüsenerkrankungen (Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Basedow) … eine Übersicht aller bisher zu diesem Thema auf www.schilddruesenguide.de veröffentlichten Artikel