Geschichte der Hashimoto-Thyreoiditis

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist eine chronische Autoimmunerkrankung der Schilddrüse, die erstmals 1912 von dem japanischen Pathologen Hakaru Hashimoto beschrieben wurde. In seiner bahnbrechenden Veröffentlichung in der deutschen Fachzeitschrift Archiv für klinische Chirurgie identifizierte Hashimoto vier Fälle einer ungewöhnlichen Schilddrüsenerkrankung mit lymphozytärer Infiltration und narbiger Veränderung des Gewebes – ein bis dahin unbekanntes Krankheitsbild. Die Krankheit wurde zunächst als „Struma lymphomatosa“ bezeichnet, später nach ihrem Entdecker „Hashimoto-Thyreoiditis“ genannt.

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Häufigste Ursache für eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)

Erst in den 1950er-Jahren erkannte man, dass es sich bei der Hashimoto-Thyreoiditis um eine Autoimmunerkrankung handelt. Die wissenschaftlichen Fortschritte in der Immunologie ermöglichten es, Autoantikörper gegen Schilddrüsenbestandteile, insbesondere gegen das Enzym Thyreoperoxidase (abgekürzt TPO) und das Protein Thyreoglobulin (abgekürzt TG), nachzuweisen. Diese Autoantikörper greifen das eigene Schilddrüsengewebe an, was langfristig zu einer chronischen Entzündung und schrittweisen Zerstörung der Schilddrüse führt. Als Folge kommt es nach einem jahrelangen Fortschreiten der Hashimoto-Thyreoiditis in der Regel schleichend zu einer Schilddrüsenunterfunktion. Der medizinische Fachbegriff dafür ist „Hypothyreose“

Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurde immer deutlicher, dass die Hashimoto-Thyreoiditis die häufigste Ursache für eine Hypothyreose in den Industrieländern ist. Das gilt insbesondere für Frauen im mittleren Lebensalter. Als Voraussetzung für die Entwicklung einer Hashimoto-Thyreoiditis gilt eine genetische Veranlagung. Verantwortlich für den konkreten Krankheitsausbruch sind hormonelle Einflüsse (z. B. Östrogen), aber auch Umwelteinflüsse wie eine dauerhaft zu hohe Jodaufnahme. Daneben werden weitere Auslöser wie beispielsweise langanhaltende Infektionen oder stressige Lebensphasen diskutiert. Auch die Zunahme autoimmuner Erkrankungen insgesamt lenkte das Interesse der Forschung auf die Hashimoto-Thyreoiditis.

Durch Blutuntersuchungen und bildgebende Verfahren zuverlässig diagnostizierbar

Schilddrüsenwerte:

Die Messung von TSH wurde ab den 1970er-Jahren mit der Einführung der Radioimmunoassay-Technik möglich. Die ersten Generationen dieser Tests waren relativ ungenau, doch mit den hochsensitiven „Third Generation“-Assays, die in den 1990er-Jahren entwickelt wurden, wurde die TSH-Bestimmung zum empfindlichsten Parameter zur Beurteilung der Schilddrüsenfunktion. Die Bestimmung des freien T4 entwickelte sich ebenfalls ab den 1970er-Jahren, zunächst über indirekte Methoden (z. B. durch Berechnung aus gesamt T4 und Bindungsproteinen). Direkte Immunoassays zur Messung von fT4 wurden in den 1980er-Jahren etabliert und gelten seitdem als Standard. Die Messung von fT3 kam etwas später auf, meist ab den späten 1980er-Jahren. Die Interpretation ist oft schwieriger als die von TSH oder fT4, da die Konzentration stärker schwankt und durch viele Faktoren beeinflusst werden kann.

Schilddrüsensonografie und Schilddrüsenszintigrafie:

In der 1950er-Jahren begann man in Europa mit dem medizinischen Einsatz von Ultraschall, zunächst vor allem in der Gynäkologie und Kardiologie. In den späten 1960er-Jahren wurde der Ultraschall zunehmend auch zur Untersuchung der Schilddrüse (Schilddrüsensonografie) genutzt. Die Geräte waren zunächst noch relativ unpräzise (A-Mode), aber mit der Einführung des B-Mode-Ultraschalls wurde ab den 1970er-Jahren eine bildgebende Darstellung des Schilddrüsengewebes möglich. Seit den 1980er- bis 1990er-Jahren hat sich die Sonografie durch technische Verbesserungen (z. B. Farbdoppler, hochauflösende Sonden) zur Standardmethode in der Schilddrüsendiagnostik entwickelt.

Bereits 1941 wurde in den USA von Saul Hertz und Arthur Roberts am Massachusetts General Hospital erstmals Radiojod (I-131) zur Diagnose und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt. Das war der Beginn der nuklearmedizinischen Schilddrüsenszintigrafie. In den 1950er-Jahren wurde die Schilddrüsenszintigrafie zunehmend standardisiert. Neben I-131 kamen bald auch andere Radiopharmaka wie Technetium-99m-Pertechnetat (ab ca. 1960) zum Einsatz, das heute wegen seiner besseren Bildqualität und geringeren Strahlenbelastung häufig bevorzugt wird.

Die Standardtherapie besteht in der lebenslangen Substitution von Schilddrüsenhormonen (Levothyroxin), um den Hormonmangel der Schilddrüsenunterfunktion auszugleichen. Trotz medizinischer Fortschritte ist die Hashimoto-Thyreoiditis bis heute unheilbar –  allerdings in den meisten Fällen gut behandelbar. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Hashimoto-Thyreoiditis führten auch zu einem besseren Verständnis anderer Autoimmunerkrankungen und verdeutlichen den Einfluss des Immunsystems auf endokrine Organe.


Nicole Wobker:

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