Umwandlungsstörung (Konversionsstörung)

Über das Phänomen der Konversionsstörung – abgeleitet vom lateinischen conversio (Umkehrung, Umwandlung) – ist bislang nur wenig gesichertes Wissen vorhanden. Viele der nachfolgenden Aussagen beruhen daher teilweise auf Annahmen und sind wissenschaftlich nicht eindeutig belegt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Angaben in der Fachliteratur teils erheblich voneinander unterscheiden.

Etwa um das Jahr 1880 experimentierte der Forscher Schiff als einer der Ersten mit Extrakten aus Schafsschilddrüsen (später auch aus Schweineschilddrüsen) und legte damit den Grundstein für die Schilddrüsenhormontherapie zur Behandlung der Hypothyreose. Diese Therapie bestand über nahezu ein Jahrhundert hinweg aus einer Kombination der Hormone T3 und T4.

Erst 1970 entdeckte Bravermann die körpereigene Umwandlung (Konversion) von T4 in T3. Diese Erkenntnis führte dazu, dass die Kombinationstherapie zunehmend in den Hintergrund trat. Mit dem technischen Fortschritt wurde schließlich die Monotherapie mit synthetischem T4 zur Standardbehandlung.

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Synthese und Umwandlung (Konversion) der Schilddrüsenhormone

Die Schilddrüse eines gesunden Erwachsenen produziert täglich etwa 95–110 µg Thyroxin (T4) und 10–25 µg Trijodthyronin (T3). Ein Großteil des benötigten T3 entsteht jedoch nicht direkt in der Schilddrüse, sondern wird aus T4 in peripheren Geweben durch enzymatische Dejodierung gebildet. Etwa 40 % des produzierten T4 werden auf diesem Weg in T3 umgewandelt. Bis zu 50 % des T4 hingegen werden zu reverses T3 (rT3) konvertiert – einer inaktiven Form des Hormons. Etwa 10 % des T4 werden unverändert über die Galle ausgeschieden.

Insgesamt stehen dem Organismus täglich etwa 30–40 µg T3 zur Verfügung, bestehend aus der direkten Schilddrüsenproduktion und der peripheren Umwandlung aus T4. Unter optimalen Bedingungen kann diese Menge theoretisch bis zu 50 µg T3 betragen.

Obwohl die Schilddrüse deutlich mehr T4 als T3 produziert, kommt T3 die größere physiologische Bedeutung zu. Es gilt als die stoffwechselaktive Form des Schilddrüsenhormons. Deshalb wird T3 nicht nur direkt in der Schilddrüse synthetisiert, sondern kann bei Bedarf auch in anderen Organen – insbesondere in der Leber – aus T4 gebildet werden. Dabei wird unter Mitwirkung von speziellen Enzymen, den Dejodasen, ein Jodatom vom T4 abgespalten. T4 fungiert somit als eine Art Speicherform. Dieser Prozess der Umwandlung von T4 in T3 wird als Dejodierung oder Konversion bezeichnet.

kompensatorische Umwandlungsstörung ( Konversionsstörung)

Eine Konversionsstörung wird von spezialisierten SchilddrüsenärztInnen gelegentlich diagnostiziert, wenn der fT4-Wert grenzwertig hoch oder bereits erhöht ist, während der fT3-Wert im Verhältnis dazu deutlich niedriger oder sogar erniedrigt ist. Das TSH liegt in solchen Fällen meist im unteren Normbereich oder ist supprimiert.

ÄrztInnen ohne spezifische endokrinologische Erfahrung orientieren sich hingegen häufig nur daran, ob alle Laborwerte innerhalb der Referenzbereiche liegen. Dabei bleibt das Verhältnis der Hormonwerte zueinander unberücksichtigt – wodurch eine Konversionsstörung in vielen Fällen unerkannt bleibt.

Von einer kompensatorischen Umwandlungsstörung spricht man insbesondere in zwei typischen Konstellationen:

a) Wenn ein grenzwertig hohes oder erhöhtes fT3 bei gleichzeitig grenzwertig niedrigem oder erniedrigtem fT4 gemessen wird. Das TSH ist dabei in der Regel erhöht. Diese Konstellation kann beispielsweise bei einer beginnenden Hypothyreose auftreten: Der Körper versucht, trotz eines bereits bestehenden T4-Mangels, den T3-Bedarf durch maximale Umwandlung des vorhandenen T4 zu decken.

b) Wenn unter einer hochdosierten Therapie mit T4-Monopräparaten ein T4-Überschuss entsteht und der Körper daraufhin zunehmend weniger T4 in T3 umwandelt. In diesem Fall steigt der fT4-Wert an, während fT3 und TSH sinken. Diese Reaktion wird als eine Art Schutzmechanismus interpretiert, mit dem sich der Körper vor einer Überversorgung mit stoffwechselaktiven Schilddrüsenhormonen schützt.

Ursachen für Probleme mit der T4-T3-Umwandlung

Warum es überhaupt zu Störungen in der Umwandlung von T4 in T3 (Konversionsstörungen) kommt, ist bislang nicht abschließend geklärt. In der Fachliteratur werden jedoch verschiedene mögliche Erklärungsansätze diskutiert:

Überschuss an Cortisol

Ein erhöhter Cortisolspiegel – sei er medikamentös bedingt oder durch eine körpereigene Überproduktion verursacht – kann die Umwandlung von T4 in T3 negativ beeinflussen. Dabei wird vermehrt T4 in die inaktive Form reverse T3 (rT3) statt in das stoffwechselaktive T3 umgewandelt. Dem rT3 wird eine cortisolähnliche Wirkung zugeschrieben, was den hemmenden Effekt auf die Konversion zusätzlich verstärken könnte.

Physischer Stress

Akuter körperlicher Stress – etwa durch Unfälle, Operationen, schwere Erkrankungen oder Crash-Diäten – kann die Umwandlung von T4 in T3 ebenfalls deutlich hemmen. Die dabei beobachtete vermehrte Cortisolfreisetzung aus der Nebennierenrinde gilt als ursächlicher Mechanismus.

Das umstrittene Denis-Wilson-Syndrom

Beim sogenannten Denis-Wilson-Syndrom wird T4 nicht in ausreichendem Maße in T3, sondern vermehrt in rT3 umgewandelt. Auch hier wird eine gesteigerte körpereigene Cortisolproduktion als zentrale Ursache vermutet. Betroffene zeigen typische Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion, obwohl die Laborwerte häufig im Normbereich oder sogar leicht erhöht sind. Ein auffälliges Leitsymptom ist die dauerhaft erniedrigte Körpertemperatur. Allerdings tritt eine niedrige Körpertemperatur auch bei anderen Formen der Schilddrüsenunterfunktion (z. B. bei Hashimoto-Thyreoiditis) auf, selbst wenn die Hormonwerte euthyreot erscheinen – ohne dass zwangsläufig ein Denis-Wilson-Syndrom vorliegt.

Fehlende T3-Produktion bei Schilddrüsenschädigung

Ein Teil des T3 wird direkt von der Schilddrüse produziert – die Umwandlung erfolgt also nicht ausschließlich in peripheren Geweben. Wird die Schilddrüse jedoch operativ entfernt oder durch einen Autoimmunprozess (z. B. Hashimoto) stark zerstört, entfällt diese Eigenproduktion vollständig. Es ist bisher unklar, ob andere Gewebe diesen Ausfall durch eine verstärkte Konversion ausgleichen können. Hinzu kommt: Auch in der gesunden Schilddrüse selbst wird ein Teil des T4 in T3 umgewandelt – auch dieser Anteil geht bei vollständigem Funktionsverlust der Schilddrüse verloren.

Enzymatische Störungen durch Selenmangel, Medikamente oder Antikörper

Die Umwandlung des Speicherhormons T4 in das stoffwechselaktive T3 erfolgt unter Mitwirkung spezieller Enzyme, der sogenannten Jodthyronin-5-Dejodasen. Es gibt drei verschiedene Typen:

  • Dejodase Typ I: Hauptsächlich in Leber, Niere und Schilddrüse aktiv; sie ist wesentlich für die systemische Umwandlung von T4 in T3 verantwortlich.
  • Dejodase Typ II: In zentralen Geweben wie Gehirn, Hypophyse, Schilddrüse und braunem Fettgewebe aktiv; sie sorgt dort für die lokale T3-Versorgung unabhängig vom Blutspiegel.
  • Dejodase Typ III: Baut T4 zu reverse T3 (rT3) und T3 zu T2 ab – beide sind inaktiv. Typ III wirkt also „inaktivierend“ auf Schilddrüsenhormone und schützt Gewebe vor einer Überversorgung.

Alle drei Dejodasen sind selenabhängig, weshalb ein Selenmangel zu einer verminderten Enzymaktivität und damit zu einer gestörten Konversion führen kann.

Auch bestimmte Medikamente und Substanzen – etwa Zytokine, Propylthiouracil oder Iopan-Säure (Röntgenkontrastmittel) – können die Aktivität dieser Enzyme negativ beeinflussen. In Einzelfällen wird zudem diskutiert, dass Autoantikörper gegen Dejodasen existieren, die diese gezielt hemmen oder zerstören können – auch dadurch kann eine Umwandlungsstörung entstehen.

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Fazit und Ausblick

Konversionsstörungen stellen ein bislang wenig beachtetes, jedoch potenziell klinisch relevantes Phänomen im Kontext der Schilddrüsenfunktion dar. Obwohl die meisten Laborwerte bei Betroffenen im Normbereich liegen können, ist das Verhältnis zwischen fT4 und fT3 oft auffällig. Eine genaue Interpretation dieses Verhältnisses ist entscheidend, da bei reiner Betrachtung der Referenzwerte die Diagnose leicht übersehen wird.

Besonders in der Langzeitbehandlung mit T4-Monopräparaten kann es zu einer funktionellen Unterversorgung mit T3 kommen, obwohl die Schilddrüsenwerte scheinbar „normal“ erscheinen. Dies betrifft insbesondere PatientInnen ohne eigene Schilddrüsenfunktion, bei denen sowohl die T3-Eigenproduktion als auch die intrathyreoidale Konversion entfällt.

Für die klinische Praxis bedeutet dies:

Eine differenzierte Betrachtung der fT3/fT4-Relation sowie des TSH-Werts kann Hinweise auf eine Konversionsstörung geben.

Bei persistierenden Hypothyreose-Symptomen trotz unauffälliger Laborwerte sollten auch funktionelle Störungen der T4–T3-Umwandlung in Betracht gezogen werden.

Die Prüfung möglicher Ursachen wie Selenmangel, Medikamenteneffekte, chronischer Stress, Cortisol-Überschuss oder Autoimmunreaktionen gegen Dejodasen ist in solchen Fällen empfehlenswert.

Ein individuelles, auf Laborwerten und klinischem Bild basierendes Therapiekonzept – gegebenenfalls auch unter Einbeziehung einer Kombinationstherapie mit T3 und T4 – kann in ausgewählten Fällen sinnvoll sein. Da es derzeit jedoch noch an breiter wissenschaftlicher Evidenz fehlt, ist die Behandlung der Konversionsstörung weiterhin ein sensibler Bereich der Endokrinologie, der differenzierte ärztliche Einschätzung und Erfahrung erfordert.


Letzte Aktualisierung: 20. August 2025

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