Schilddrüsenerkrankungen bei Männern: Seltener, aber oft übersehen
Schilddrüsenprobleme sind Frauensache? Nicht ganz. Auch wenn deutlich mehr Frauen an Hashimoto-Thyreoiditis oder einer Schilddrüsenunterfunktion leiden, kommen Schilddrüsenerkrankungen bei Männern durchaus vor – werden aber deutlich seltener erkannt. Das liegt nicht nur an der niedrigeren Häufigkeit, sondern auch daran, dass typische Symptome bei Männern oft verharmlost, verschwiegen oder fehlgedeutet werden. Vor allem Tabuthemen wie Libidoverlust, Potenzschwäche oder Unfruchtbarkeit bleiben häufig unausgesprochen – auch in der ärztlichen Sprechstunde.
Schilddrüsenbeschwerden bei Männern
Die Krankheitssymptome sind bei Männern und Frauen grundsätzlich ähnlich. Als Männer-typisch könnte man vielleicht nennen:
- Haarausfall bis hin zu vorzeitigen Glatzenbildung
- Gynäkomastie, eine Vergrößerung der männlichen Brust
- Libidoverlust und Potenzschwäche. Schon lange ist bekannt, dass eine Schilddrüsenunterfunktion (Mangel an Schilddrüsenhormonen, Hypothyreose) bei Männern häufig zu einem reduzierten Lustempfinden führt. In diesem Zusammenhang kann es auch zu Erektionsproblemen kommen.
- Fertilitätsstörungen. Das OAT-Syndrom (Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom) ist die häufigste Ursache für eine verminderte Zeugungsfähigkeit des Mannes. Eine der möglichen Ursachen ist eine Unterfunktion der Schilddrüse. Die Merkmale des OAT-Syndroms sind eine geringe Spermienanzahl (oligo), eine verminderte Beweglichkeit der Spermien (astheno) und eine erhöhe Rate an fehlgeformten Spermien (terato).
- Unfruchtbarkeit. Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Ursache für eine Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose). Vereinzelt wird in diesem Zusammenhang diskutiert, ob bei an einer Hashimoto-Thyreoiditis erkrankten unfruchtbaren Männern eventuell ein Mangel an Selen von Bedeutung ist. Die selenabhängige Glutathionperoxidase soll ein entscheidendes Strukturprotein im Schwanzstück von Spermien sein. Außerdem gibt es Hinweise, dass die für eine Hashimoto-Thyreoiditis charakteristischen Thyreo-Peroxidase-Antikörpern die Spermienqualität negativ beeinflussen.
- Abbau von Muskelmasse
- Auffälliger Verlust von Muskelkraft
- Testosteronmangel. Ein Testosteronmangel kommt bei Männern mit Schilddrüsenunterfunktion häufiger vor.
Schilddrüsendiagnostik bei Männern: Was gehört dazu?
Bei Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung (v. a. bei Müdigkeit, Libidoverlust oder unerfülltem Kinderwunsch) sollte eine gründliche Hormonuntersuchung erfolgen:
Empfohlene Laborwerte:
- TSH (regulierendes Hormon)
- fT3 und fT4 (freie Schilddrüsenhormone)
- TPO-Antikörper (bei Verdacht auf Hashimoto)
- Testosteron (gesamt + frei) und ggf. SHBG
- Selen-Spiegel (insb. bei Fruchtbarkeitsproblemen)
Medikamentöse Behandlung
💊 Schilddrüse und Selen – was das Spurenelement für Ihre Hormonbalance tun kann
Selen ist unverzichtbar für eine gesunde Schilddrüse. Warum es so wichtig ist, wie es bei Hashimoto helfen kann – und welche Präparate empfehlenswert sind, lesen Sie hier.
Inwieweit sich die geschilderten Beschwerden durch eine gute medikamentöse Einstellung der Schilddrüsenfunktion zurückbilden ist im Einzelfall unterschiedlich. Besser wird die Symptomatik auf jeden Fall! Die Einstellung mit einem Schilddrüsenhormonpräparat ist bei Männern erfahrungsgemäß sogar sehr viel einfacher als bei Frauen, weil sie keinen Monatszyklus haben und die frauentypischen hormonellen Umstellungsphasen wie Schwangerschaften oder Wechseljahre auch kein Thema sind.
Männer haben sich bislang nur vereinzelt mit Fragen an mich gewandt. Dabei ging es meistens um anhaltende Müdigkeit, Regenerationsprobleme nach sportlichen Aktivitäten und das Nicht-Wieder-Erreichen der gewohnten körperlichen Belastbarkeit. Sie versuchen oft mit einem intensiveren Training dem entgegenzuwirken, haben damit aber nur einen begrenzten Erfolg. Hilfreicher ist da beispielsweise oft eine hochdosierte Nährstofftherapie (insbesondere Selen) oder auch die Einnahme von zusätzlichem T3 nach den Trainingseinheiten.
Männer reden anders – oder gar nicht
Viele Männer mit Schilddrüsenproblemen wenden sich auch erst spät oder gar nicht an ärztliches Fachpersonal. Die „typischen Männerfragen“, die dann gestellt werden, lauten:
- Warum bin ich ständig müde, obwohl ich keinen Stress habe?
- Wieso habe ich keine Lust mehr auf Sex?
- Warum nehme ich zu, obwohl ich regelmässig Sport treibe?
Hier ist wichtig zu wissen: Schilddrüsenerkrankungen betreffen nicht nur die Schilddrüse, sondern können tiefgreifende Auswirkungen auf das gesamte hormonelle Gleichgewicht und das körperliche Leistungsvermögen haben. Auch Männer sollten also ihre Schilddrüse im Blick haben!
Letzte Aktualisierung: 17. September 2025