Von Schafextrakten zu T4: Die Geschichte der Schilddrüsen-Hormontherapie

Die Hormontherapie bei Schilddrüsenerkrankungen hat einen faszinierenden Wandel durchlaufen – von experimentellen Injektionen bis zu hochpräzisen synthetischen Hormonen, wie sie heute Standard sind.

Die Anfänge – Extrakte aus Tierdrüsen

1880er Jahre: Moritz Schiff und George Murray verwendeten erstmals Schilddrüsenextrakte von Schafen, um die Symptome der Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) bei PatientInnen zu behandeln. Diese wurden zunächst entweder injiziert oder als getrocknetes Pulver oral verabreicht.

Chemische Entdeckungen

1916: Der amerikanische Biochemiker Edward Calvin Kendall isolierte als erster das Thyroxin (T4).

1927: Charles Harrington und George Barger gelang die künstliche Herstellung von Thyroxin.

In Deutschland gilt die Firma Henning als Pionier, was die Herstellung von Schilddrüsenhormonpräparaten betrifft. Thyroxin „Henning“ Tabletten gab es bereits im gleichen Jahr, also 1927, und das heutige Präparat, die L-Thyroxin Henning® gibt es schon seit 1967.

Vom Naturpräparat zum synthetischen Hormon

Erst 1952 wurde auch das Trijodthyronin (T3) entdeckt.

Und bis in die 1960er-Jahre dominierten in der Behandlung von SchilddrüsenpatientInnen weiter tierische Präparate, die meist aus getrockneten Schweineschilddrüsen hergestellt wurden. Diese galten jedoch als schwer dosierbar.

Moderne Schilddrüsenhormontherapie

Ab 1971 wurde in Deutschland deshalb zunehmend synthetisches Thyroxin eingesetzt – gleichbleibend dosierbar, sicher und gut verträglich. Zur Verbreitung beigetragen haben, dürfte auch der Schilddrüsen-Literaturdienst (seit 1970) und die Schilddrüsenkongresse (seit 1973), die beide von der Firma Henning (heute Sanofi-Aventis) initiiert wurden.

Heute ist synthetisches Thyroxin noch immer die Standardtherapie bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Nicht nur bei Hashimoto-Thyreoiditis, sondern auch nach einer Schilddrüsenoperation oder einer Radioiodtherapie der Schilddrüse.

Quelle: Schilddrüse. Pionierarbeiten aus eineinhalb Jahrhunderten (Hrsg. Henning Berlin) 1987