Hashimoto-Thyreoiditis: Wenn Ärztliche Unkenntnis zur Leidensverlängerung führt

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Autoimmunerkrankung der Schilddrüse – und trotzdem bleibt sie häufig unerkannt, fehldiagnostiziert oder unzureichend behandelt. Betroffene berichten oft von jahrelangem Leidensweg, unspezifischen Symptomen und ärztlichem Unverständnis. Warum ist eine derart verbreitete Erkrankung im medizinischen Alltag vieler ÄrztInnen immer noch ein blinder Fleck?

Ein unterschätztes Krankheitsbild

Schätzungen zufolge leiden bis zu 10 % der Bevölkerung in Deutschland an Hashimoto-Thyreoiditis – viele davon ohne gesicherte Diagnose. Die Krankheit betrifft vor allem Frauen zwischen 30 und 50 Jahren, kann aber prinzipiell in jedem Alter auftreten. Sie führt zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse, meist mit schleichendem Funktionsverlust (Hypothyreose).

Doch gerade weil die Symptome so unspezifisch sind – Erschöpfung, Gewichtszunahme, depressive Verstimmungen, Frieren, Haarausfall – werden sie häufig anderen Ursachen zugeschrieben. Nicht selten wird Frauen suggeriert, ihre Beschwerden seien „psychosomatisch“.

Diagnostiklücke trotz verfügbarer Tests

Ein Hauptproblem: Viele HausärztInnen beschränken sich bei der Schilddrüsenuntersuchung auf den TSH-Wert – also den Steuerhormonwert der Hypophyse. Der ist aber gerade in frühen Stadien oft noch normal, obwohl bereits Entzündungen oder eine beginnende Unterfunktion bestehen.

Die Diagnose „Hashimoto“ lässt sich nur durch die Bestimmung der Antikörper (TPO-AK und Tg-AK) sowie idealerweise einen Schilddrüsen-Ultraschall sichern. Doch diese Untersuchungen werden vielfach nicht durchgeführt – entweder aus Unkenntnis, Kostengründen oder Zeitmangel.

„Ich war bei fünf verschiedenen Ärzten – niemand hat meine Beschwerden ernst genommen. Erst eine Endokrinologin hat mir nach sechs Jahren die Diagnose Hashimoto gestellt.“ – Erfahrungsbericht aus der eMail einer Betroffenen

Therapie nach Schema F – trotz individueller Verläufe

Selbst wenn die Diagnose gestellt wird, bleibt die Behandlung oft unzureichend. In vielen Fällen wird lediglich Levothyroxin (T4) verschrieben – ohne regelmäßige Kontrolle oder Anpassung. Doch nicht alle PatientInnen sprechen auf Monotherapie an. Manche benötigen eine Kombinationstherapie mit T3, andere profitieren von Selen oder Vitamin D – doch all das wird häufig ignoriert oder abgetan.

Auch der psychische und ernährungstherapeutische Aspekt wird selten einbezogen. Hashimoto ist mehr als eine reine „Hormonmangelkrankheit“ – es ist eine komplexe Autoimmunstörung mit systemischer Wirkung.

Warum so viel Unwissen?

  • In der medizinischen Ausbildung kommt die Autoimmunerkrankung kaum vor.
  • Hausärzte haben oft keine Spezialisierung auf endokrinologische Themen.
  • Krankenkassen erstatten mitunter nicht alle notwendigen Laborwerte, was Diagnostik behindert.
  • PatientInnen mit „diffusen Symptomen“ gelten schnell als „psychosomatisch“.

Folgen der ärztlichen Unkenntnis

Die Konsequenzen sind fatal: Unbehandelte Hashimoto-Erkrankte leben mit einer chronischen Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, Zyklusstörungen, Kinderlosigkeit oder gar Depressionen – oft über Jahre. Dabei wäre frühzeitige Diagnose und individuelle Therapie der Schlüssel zur Lebensqualität.

Viele Betroffene suchen sich schließlich Hilfe in Onlineforen, Selbsthilfegruppen, bei Gesundheitscoaches oder ganzheitlich arbeitenden Heilpraktikern – nicht, weil sie die Schulmedizin ablehnen, sondern weil sie sich von ihr im Stich gelassen fühlen.

Fazit: Ein Aufruf zur Weiterbildung und Empathie

Die Hashimoto-Thyreoiditis ist keine seltene, mysteriöse Krankheit. Sie ist gut behandelbar – wenn man sie erkennt und ernst nimmt. ÄrztInnen sind in der Verantwortung, über den Tellerrand hinauszuschauen, moderne Labordiagnostik einzusetzen und die Beschwerden ihrer PatientInnen nicht zu bagatellisieren.

Nur mit Wissen, Offenheit und Zeit kann die Versorgung dieser wachsenden Patientengruppe verbessert werden – und das Vertrauen in das Gesundheitssystem gestärkt werden.

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