Weltweit erstmalig: Lebendspende-Transplantation einer isolierten Nebenschilddrüse

Das Team um Professor Dr. Ayman Agha unter der Leitung von Professor Dr. Hans-Jürgen Schlitt am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) entwickelte einen neuen chirurgischen Therapieansatz, mit dem eine dauerhafte Unterfunktion der Nebenschilddrüse behandelt werden kann. Drei Jahre nach dem Eingriff ziehen die Mediziner Bilanz.

Am 18. Juni 2013 hat das chirurgische Team des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) weltweit erstmals eine isolierte Nebenschilddrüse eines lebenden Fremdspenders transplantiert. In einer Fallstudie wurde dieser bislang nach wie vor einzigartige Eingriff nun publiziert.

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Professor Dr. Ayman Agha, damals Leitender Oberarzt der Klinik und Poliklinik für Chirurgie des UKR und heute als Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Endokrine und Minimalinvasive Chirurgie des Klinikums Bogenhausen in München tätig, zieht sein Fazit: „Die Lebendspende-Autotransplantation von Nebenschilddrüsengewebe stellt für Patienten mit einer dauerhaften Nebenschilddrüsenunterfunktion einen guten chirurgischen Therapieansatz dar; insbesondere dann, wenn kein eigenes Nebenschilddrüsengewebe zur Autotransplantation vorliegt, die konservativen Maßnahmen versagen und der Patient bereit ist, sich einer Langzeit-Immunsuppressionstherapie zu unterziehen.“

Keine Therapie spricht an – die Suche nach einem neuen Weg beginnt

Professor Agha behandelte in seiner Zeit im UKR eine damals 32-jährige Patientin mit chronischer Hypokalzämie (Kalziummangel). Aufgrund eines papillären Schilddrüsenkarzinoms war die Patientin einige Jahre zuvor operiert worden, wobei die Nebenschilddrüsen beschädigt wurden. Die Nebenschilddrüsen bilden das Parathormon, das zusammen mit Kalzitonin, welches in der Schilddrüse gebildet wird, und dem Vitamin-D Hormon für das Kalziumgleichgewicht im Körper verantwortlich ist.

In den Jahren nach der Entnahme der Nebenschilddrüsen kam es bei der Patientin zu wiederholten generalisierten Krampfanfällen mit lebensbedrohlichen Krampfattacken. Wie bei einigen anderen Betroffenen auch wurden diese zunächst fälschlicherweise als Epilepsie eingestuft und behandelt. Konservative Therapieansätze, bei denen zur Behandlung der Hypokalzämie beispielsweise Kalzium und Vitamin D gegeben werden, sprachen nicht oder mit nur geringem Erfolg an.

Wenn konservative Behandlungsmaßnahmen versagen, sind die chirurgischen Alternativen bei einer Nebenschilddrüsenunterfunktion sehr eingeschränkt: nur die Autotransplantation von eigenem, in Kälte konserviertem Nebenschilddrüsengewebe ist etabliert und erfolgsversprechend. Die Transplantation von Nebenschilddrüsengewebe eines verstorbenen fremden Organspenders wurde zwar öfter versucht, ist aber nur in ganz wenigen Einzelfällen erfolgreich gewesen.

Da auch diese chirurgischen Therapieverfahren bei der Patientin nicht möglich waren, wurde in einer interdisziplinären Fallkonferenz über alternative, neue Wege beraten. „Wir konzipierten ein Verfahren, um Nebenschilddrüsengewebe eines lebenden Fremdspenders zu transplantieren. Das war zuvor nicht gemacht worden, schien uns aber als einziger Weg der Heilung“, führt Professor Dr. Hans Jürgen Schlitt, Direktor der Klinik und Poliklinik für Chirurgie des UKR, aus. Nach Prüfung der Gewebeeigenschaften stellte sich der Bruder der Patientin als geeigneter Spender heraus.

Das Vorhaben wurde als Forschungsprojekt entwickelt und von der Fakultät für Medizin der Universität Regensburg unterstützt. Nach der Zustimmung der Ethikkommision der Universität Regensburg, der Lebendspendekommission und der klinischen Fallvorstellung erfolgte weltweit erstmals die Transplantation von Nebenschilddrüsengewebe eines Lebendspenders. Durch einen 2,5 cm großen Schnitt am Hals wurden dem Spender zwei gesunde Nebenschilddrüsen entfernt. Diese wurden der Empfängerin durch einen kleinen Schnitt am Unterarm reimplantiert. Die Reimplantation am Unterarm ist deutlich risikoärmer als am ursprünglichen Ort „Hals“. „Es gab weder während noch nach der Operation Komplikationen bei Spender und Empfängerin“, so Professor Agha. Nach dem Eingriff erhielt die Empfängerin – wie nach Transplantationen üblich – Immunsuppressiva. Diese unterdrücken das Immunsystem des Organempfängers so weit, dass der Körper gegen das Transplantat keine Abwehrreaktion entwickelt und es somit nicht abstößt.

Die Transplantation verlief für Spender und Empfängerin gut. Schon drei Wochen nach der Transplantation stiegen bei der Empfängerin der Parathormonspiegel sowie der Kalziumspiegel deutlich an. Ab diesem Zeitpunkt konnte auf die zusätzliche Gabe von Kalzium und Vitamin D verzichtet werden. Der Spender wurde bereits zwei Tage nach der Operation mit normalem Kalzium- und Parathormonspiegel entlassen. Auch der Langzeitverlauf beim Spender ist mit den zwei verbliebenen Nebenschilddrüsen hinsichtlich Kalzium-und Parathormon unauffällig.

Drei Jahre später – Wie geht es der Patientin heute?

Auch drei Jahre nach der Transplantation benötigt die Patientin keine zusätzliche Gabe von Kalzium oder Vitamin D mehr. Bei den regelmäßigen Kontrollen des Kalzium- und Parathormonspiegels liegen die Werte im Normbereich. Auch die Symptome einer Hypokalzämie sind seit der Operation nicht mehr aufgetreten. Die Patientin erhält nach wie vor immunsuppressive Medikamente, allerdings in sehr geringen Dosen. Die engmaschige Nachsorge und Anpassung der Immunsuppresion wird im Universitätsklinikum Regensburg gewährleistet.

„Am Universitätsklinikum Regensburg ist uns mit der Transplantation einer Nebenschilddrüse etwas gelungen, was vielen Patienten Hoffnung machen kann. Nun gilt es das Verfahren weiterzuentwickeln und aus der Forschung heraus zu standardisieren“, so Professor Agha.

Quelle: ukr.de (defekter Link wurde am 13.09.23 entfernt)

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