Schilddrüsenfehlfunktion als Risikofaktor für die Entwicklung einer Osteoporose

Eine länger andauernde Schilddrüsenüberfunktion (Überschuss an Schilddrüsenhormonen, Hyperthyreose) ist als möglicher Risikofaktor für die Entwicklung einer Osteoporose gefürchtet. Viele SchilddrüsenpatientInnen die zeitweise von einer Überfunktion der Schilddrüse betroffen waren sind deswegen besorgt. Aber ist diese Angst auch berechtigt?

Hat das TSH einen Einfluß auf den Knochenstoffwechsel?

Acht Millionen Menschen in Deutschland nehmen tagtäglich ein Schilddrüsenhormonpräparat ein. In den meisten Fällen ist diese Therapie lebenslang erforderlich.

Aus den verschiedensten Gründen, beispielsweise

  • Einnahme eines T3/T4-Kombinationspräparates
  • Nachsorge beim Schilddrüsenkarzinom
  • Vorkommen bestimmter Autoantikörper (TRAK), hauptsächlich beim Morbus Basedow
  • Hashitoxikose (Hashimoto-Thyreoiditis)

ist bei zahlreichen dieser Schilddrüsenkranken das TSH teilweise über längere Zeit supprimiert. Es ist sehr viele Jahre darüber diskutiert worden, ob in diesen Fällen durch die Schilddrüsenhormontherapie immer ein deutlich erhöhtes Osteoporose-Risiko besteht.

Bezüglich einer möglichen Osteoporose-Gefahr herrscht inzwischen weitgehende Einigkeit darüber, dass bei erniedrigtem TSH-Wert und erhöhten Werten von fT3 / fT4 durch den beschleunigten Abbau von Knochensubstanz eine Osteoporose-Gefahr gegeben ist. Umstritten ist hingegen, ob es bereits bei einem supprimiertem TSH, aber normalen Werten von fT3 und fT4 zu einer Verminderung der Knochendichte kommt – also ob das TSH selbst einen Einfluss auf den Knochenstoffwechsel hat.

Einer der führenden deutschen Osteoporose-Experten PD Dr. J. Fassbender hat zu dieser Fragestellung vor über 20 Jahren ausgeführt: „Zusammenfassend ist die Thematik derzeit dergestalt zu bewerten, dass ein signifikant erhöhtes Osteoporose-Risiko bei der TSH-suppressiven Therapie, aber normalen peripheren Werten für fT3 und fT4 nicht gegeben ist, wohl aber bei peripher erhöhten Werten. TSH selbst hat keine direkte Wirkung auf den Knochenmetabolismus …“ (J. Fassbender, Multimedica-Expertenrat Osteoporose, www.multimedica.de, Zugriff am 14.03.03)

Gibt es dazu inzwischen neuere Erkenntnisse?

In einer amerikanischen Studie wurde der mögliche Einfluss des Thyreoidea Stimulating Hormon (TSH) auf den Knochenstoffwechsel untersucht. TSH wird von der Hypophyse produziert und stimuliert die Schilddrüse zur Bildung der Schilddrüsenhormone T4 und T3. Daneben konnte von den Forschern der Mount Sinai School of Medicine in New York jetzt auch eine stimulierende Wirkung von TSH auf die für den Knochenaufbau verantwortlichen Zellen, die sogenannten Osteoblasten nachgewiesen werden. (Ramkumarie Balirama, Rauf Latifa, Joshua Berkowitza, Simon Frida, Graziana Colaiannib, Li Sunb, Mone Zaidib, Terry F. Daviesa „Thyroid-stimulating hormone induces a Wnt-dependent, feed-forward loop for osteoblastogenesis in embryonic stem cell cultures“, PNAS (National Academies of Science), 2011)

Schilddrüsenüberfunktionen werden mit einer Zunahme von Knochenbrüchen in Verbindung gebracht. Bei Erwachsenen steigert ein Überschuss an Schilddrüsenhormonen den Knochenumsatz, hauptsächlich aufgrund einer erhöhten Knochenresorption durch Osteoklasten. Daher ist eine Hyperthyreose eine bekannte Ursache für sekundäre Osteoporose mit hohem Knochenumsatz, die zu einer erhöhten Anfälligkeit für Fragilitätsfrakturen führt. Eine subklinische Hyperthyreose wirkt sich ebenfalls negativ auf die Knochenmineraldichte aus und ist mit Frakturen verbunden. Bei den meisten PatientInnen mit manifester oder subklinischer Hyperthyreose führt die Wiederherstellung des euthyreoten Status zu einer Umkehr des Knochenschwunds. (E. Tsourdi, F. Lademann, H. Siggelkow „Impact of thyroid diseases on bone“ Internist 2018·59:661–667)

Welche Risikofaktoren für die Entwicklung einer Osteoporose sind bekannt?

Andere MedizinerInnen verweisen in diesem Zusammenhang auf ein erhöhtes Osteoporose-Risiko, falls weitere Risikofaktoren hinzukommen: „Unter der TSH-suppressiven Thyroxin-Langzeittherapie ist kein signifikanter Knochenmasseverlust zu befürchten. Bei PatientInnen mit zusätzlichen Risikofaktoren ist eine Kontrolle der Knochendichte durchzuführen und gegebenenfalls eine Therapie der Osteoporose einzuleiten.” (A. L. Springorum: „Effekt von suppressiver Langzeittherapie mit Schilddrüsenhormonen bei Patienten mit Struma maligna auf die Knochendichte“ (Promotion), Universität Heidelberg – Medizinische Fakultät, 1999)

Zu diesen Osteoporose-Risikofaktoren zählen beispielsweise:

  • sehr schlanke, grazile Figur (Untergewicht)
  • Bewegungsmangel
  • Vererbung (z.B. Osteoporose-bedingte Knochenbrüche bei den Eltern)
  • Östrogenmangel (bes. bei frühzeitiger Menopause, d. h. vor dem 45. Lebensjahr)
  • falsche Ernährung (niedrige Calcium- und Vitamin-D-Zufuhr)
  • Genussmittelmissbrauch (Rauchen, regelmäßiger Alkoholgenuss)
  • Medikamente (Cortison, Heparin)
  • zunehmendes Lebensalter (über 50 Jahre)
  • verschiedene Krankheiten (Überfunktion der Nebenschilddrüse, Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie)

Führt die langfristige Einnahme von T3-/T4-Kombinationspräparaten zu Osteoporose?

Zur Problematik einer möglichen Osteoporose-Gefahr bei Einnahme eines T3-/T4-Kombinationspräparates hat sich die Spezialistin für autoimmune Schilddrüsenerkrankungen Dr. L. Brakebusch wie folgt geäußert „… eine latente Überfunktion ist eine echte kontinuierlich bestehende Überfunktion – das ist etwas anderes als das was bei T3 Einnahme passiert. Ein erniedrigtes TSH ist kein Beweis für das Vorliegen einer Überfunktion. Bei der Einnahme von Kombipräparaten kann der TSH z.B. supprimiert also erniedrigt sein durch eine kurzfristige T3-Erhöhung. Leider gibt es noch kein Präparat das T3 verzögert freisetzt*. Ob dieser kurzfristige T3-Peak eine Wirkung an den Knochen entfaltet ist fraglich. Die Entstehung von Osteoporose unter T3/T4 ist bisher in keiner Studie geprüft worden. Die Erfahrungen von Patienten mit Kombipräparateinnahme sprechen bisher dagegen. Man muss die durch T3-Einnahme oft erheblich verbesserte bzw. normalisierte Lebensqualität diesem möglichen Risiko entgegensetzen. Der TSH für sich genommen sagt nur bedingt etwas aus. Er kann auch allein durch die autoimmune Erkrankung erniedrigt sein. Unter Einnahme von T3/T4 Präparaten empfiehlt sich sicherheitshalber eine jährliche Prüfung der Knochendichte durch DXA. Der TSH darf nie allein ausschlaggebend sein für die Beurteilung der Stoffwechsellage.“ (Dr. L. Brakebusch, Stellungnahme im Diskussionsforum der Homepage www.ht-mb.de, Zugriff am 12.09.06)

*Anmerkung: Seit einigen Jahren stehen → T3-Retard-Tabletten (z.B. Thyromax®) zur Verfügung.

Weiterführend Informationen zur Nährstofftherapie mit Vitamin D finden Sie → hier.  Zum Mineralstoff Calcium gibt es momentan noch keinen eigenständigen Artikel.


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