Eine Schilddrüsenfehlfunktion erkennen

Die Beschwerden, die durch eine Schilddrüsenfehlfunktion ausgelöst werden können, sind ausgesprochen vielfältig und oftmals auch eher unspezifisch. Deshalb fällt es sehr vielen SchilddrüsenpatientInnen (und durchaus auch einigen unerfahrenen ÄrztInnen) schwer diese eindeutig einer Schilddrüsenerkrankung zuzuordnen. Das mag zunächst überraschen, weil man eigentlich davon ausgeht, dass die durch eine Unter- oder Überfunktion der Schilddrüse verursachten Krankheitssymptome so gegenläufig sind, dass sie einfach zuzuordnen sind. Aber Erschöpfungszustände, Schlafstörungen, Muskelschmerzen, Haarausfall usw. können genauso bei einem Mangel wie einem Überschuss an Schilddrüsenhormonen auftreten.

 

Eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) kann man oftmals gut an einem veränderten Aussehen ausmachen.

Besteht die Schilddrüsenunterfunktion bereits über einen längeren Zeitraum, verändert sich das Aussehen eines Menschen mit einer Unterfunktion der Schilddrüse häufig deutlich – wenn man sich als Ärztin/Arzt die Zeit nimmt genau hinzuschauen. Als SchilddrüsenpatientIn nimmt man das selbst manchmal gar nicht so wahr, weil diese Veränderungen nicht von heute auf morgen da sind, sondern sich wirklich sehr schleichend mitunter über mehrere Jahre so entwickeln.

Und bei uns Frauen kommt hinzu, dass wir etliche der 10 nachstehend aufgeführten, äußeren Merkmale für eine Schilddrüsenunterfunktion sehr erfolgreich kaschieren. Mit guten Haut- und Haarpflegeprodukten, einem geschickten Makeup, schmeichelnder Frisur, einer Brille und farbigem Nagellack machen wir es den ÄrztInnen manchmal nicht gerade leicht.

Für eine Unterfunktion der Schilddrüse sind typisch …

  1. strohige, trockene Haare
  2. blasse „wächsern wirkende“ Gesichtshaut
  3. schuppige, trockene Haut
  4. ausgedünnte, seitliche Augenbrauen
  5. Schwellungen der Augenoberlider
  6. Zahneindrücke an der Zunge
  7. Längsrillen in den Fingernägeln
  8. verschwindende Nagelmonde
  9. (Neigung zu) blauen Flecken
  10. gelbliche Färbung der Fußsohlen und Handinnenflächen

 

Bei PatientInnen mit einer Schilddrüsenüberfunktion fallen Nervosität, Muskelschwäche und Zittern auf.

Begegnet man einem Menschen mit einer ausgeprägten Überfunktion der Schilddrüse, bemerkt man fast sofort die ständige Unruhe. Wenn man nicht weiß, dass sie krank sind, gehen sie einem nicht selten „auf den Geist“ oder man empfindet die aggressive Grundstimmung als unangenehm.

Auffälligkeiten bei einer Schilddrüsenfehlfunktion (Laborwerte, Aussehen, Blutdruck und Puls)

Schwierigkeiten beim Aufstehen aus der Hocke

Schaut man genauer hin und beobachtet sie in ihrem Alltag, sieht man manchmal, dass sie – angesichts ihres oft jungen Alters überraschend – Probleme haben aufzustehen, wenn sie beispielsweise in die Hocke gegangen sind um sich die Schuhe zuzubinden. Diese Verhaltensauffälligkeit im Hinterkopf führen ÄrztInnen bei Verdacht auf eine Schilddrüsenüberfunktion sogar manchmal einen entsprechenden Test durch. Sie bitten die PatientInnen sich hinzuhocken und fordern sie nach einer kurzen Wartezeit dann auf wieder aufzustehen. Können die PatientInnen anschließend nicht aus eigener Kraft und ohne sich mit den Armen abzustützen wieder aufstehen gilt dies als Zeichen für eine Muskelschwäche in den Oberschenkeln und damit als Hinweis auf eine Überfunktion der Schilddrüse.

Zittern der ausgestreckten Hände

Typisch für eine Überfunktion der Schilddrüse ist auch, dass die Hände unkontrolliert zittern. Wenn man das als medizinischer Laie bemerkt, kommt einem oft eine so schwerwiegende Erkrankung wie Parkinson (Schüttellähmung) als Erklärung dafür in den Sinn. Die Ursache dafür kann aber genauso eine vergleichsweise harmlose Schilddrüsenüberfunktion sein. Viele SchilddrüsenpatientInnen kennen das. Die Ärztin/der Arzt bittet einen, beide Arme nach vorne hin auszustrecken. Dann wird geschaut, ob die PatientInnen mit ausgestreckten Armen die Hände ruhig halten können oder ob die Hände dabei fortlaufend zittern. Ein Zittern der Hände bei ausgestreckten Armen wird wiederum als Indiz für eine Schilddrüsenüberfunktion gewertet.

 

Auffällige Schilddrüsenwerte bestätigen die Fehlfunktion der Schilddrüse

Veränderte äußere Merkmale oder auch kleinere Tests bieten selbstverständlich keine ausreichende Sicherheit, um die Diagnose Schilddrüsenunterfunktion oder Schilddrüsenüberfunktion zuverlässig stellen zu können. Sie geben lediglich erste Hinweise auf eine möglicherweise vorliegende Krankheit der Schilddrüse. Ergänzend dazu sollten immer mindestens die Schilddrüsenwerte (TSH, fT3, fT4) untersucht werden.

Im Hinblick darauf können übrigens auch etliche weitere Laborergebnisse indirekt Hinweise auf eine Schilddrüsenfehlfunktion geben.

  1. Beispielsweise das Cholesterin ist bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) erhöht und bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) erniedrigt.
  2. Calcium ist während einer Hypothyreose oft erniedrigt und während einer Hyperthyreose erhöht.
  3. Vitamin D ist bei Schilddrüsenerkrankungen häufig verändert.
  4. Bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) werden gelegentlich niedrige Spiegel von Kupfer und Magnesium gemessen.
  5. Eisen und das Ferritin sind bei einer Schilddrüsenunterfunktion nicht selten an der unteren Normbereichsgrenze.
  6. Insbesondere bei den autoimmunen Schilddrüsenerkrankungen Hashimoto-Thyreoiditis und Morbus Basedow sind zuweilen auch Entzündungsmarker wie die Leukozyten, das C-reaktives Protein und die Blutsenkungsgeschwindigkeit verändert.
  7. Das Gleiche gilt für leicht erhöhte Leberwerte (GGT, GPT, GOT), die ebenfalls bei einem Morbus Basedow oder einer Hashimoto-Thyreoiditis vorkommen können.
  8. Antinukleare Antikörper (ANA) werden sogar ungefähr bei rund 30 Prozent der Hashimoto-Thyreoiditis-PatientInnen festgestellt.
  9. Eine Hypothyreose kann auch eine mögliche Ursache für den Anstieg von Prolaktin sein. Das fällt manchmal im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung auf.
  10. Im Zusammenhang mit Schilddrüsenerkrankungen sind gelegentlich auch veränderte Werte des Hormons Cortisol messbar.

Bei einer umfangreicheren Untersuchung fallen zudem meist auch weitere Messwerte auf, die bei Schilddrüsenfehlfunktionen von der Norm abweichen. Als Beispiel seien hier noch Blutdruck und Puls erwähnt. Eine Überfunktion der Schilddrüse kann zu einem erhöhten Blutdruck führen, während eine Schilddrüsenunterfunktion entweder zu einem diastolischen Bluthochdruck (erhöhter, zweiter Wert) oder zu einem niedrigeren Blutdruck führen kann. Ähnliches gilt für den Puls. Eine Schilddrüsenüberfunktion kann zu einem erhöhten Puls (Tachykardie) führen, während eine Unterfunktion der Schilddrüse zu einem verlangsamten Puls (Bradykardie) führen kann.


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Dieser Artikel wurde ursprünglich am 10. November 2009 erstellt. Am 09. Januar 2024 wurde er vollständig aktualisiert, inhaltlich erweitert und neu veröffentlicht.